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Sozialer Jetlag begünstigt Übergewicht
Unsere Lebensstil und die innere Uhr passen immer weniger zusammen. Folgen sind nicht nur die Tagesmüdigkeit, sondern auch erhöhtes Risiko für Adipositas, berichten Chronobiologen der Universität München in der Online-Zeitschrift "Current Biology". "Unser 'sozialer Jetlag' ist ein völlig übersehenes Syndrom der modernen Gesellschaft. Schlaf ist keine Zeitverschwendung, sondern wesentliche Säule unserer Gesundheit", betont Studienleiter Till Roenneberg.
Dicker durch verstellte Uhr
80 Prozent der Bevölkerung westlicher Länder sind vom "sozialen Jetlag" betroffen. Zwei von drei leiden unter mindestens einer Stunde Schlafmangel an Werktagen, jeder Dritte sogar an zwei Stunden oder mehr, haben die Forscher erhoben. Sie werteten dazu Daten zu Schlafmustern und Körpermaßen von 65.000 Personen aus. Dabei zeigte sich auch: Je stärker der "soziale Jetlag" ausfiel, desto eher waren die Menschen übergewichtig. Dass die Schlafdauer und der Energiehaushalt des Körpers zusammenhängen, weiß man aus früheren Studien.
Problem ist also nicht nur zu wenig Schlaf, sondern auch zu frühes Aufstehen. so die Behauptung der Forscher. Denn immer mehr entwickeln sich Menschen biologisch zum "Eulentyp", der morgens erst später in Schwung kommt. Laut Roenneberg könnte das damit zusammenhängen, dass die Zeit unter dem freien Himmel immer knapper wird. "Die innere Uhr verstellt sich, da das schwache Innenraumlicht im Vergleich zur Sonne ein nur schwacher Zeitgeber ist."
Wecker weckt zu früh
Das Ergebnis ist ein Effekt, der jener des Jetlags bei Zeitverschiebung gleicht. Als dessen Symptom bezeichnet der Schlafexperte den Wecker, der eine relativ neue Facette des Menschseins darstellt. "Der Wecker ist wie der Kellner eines Restaurants, in dem man täglich exakt die Nahrungsmenge vorgesetzt bekommt, die der Körper braucht. Man beginnt zu essen, doch an jedem Werktag kommt der Kellner und serviert bereits dann ab, wenn man noch gar nicht fertiggegessen hat", veranschaulicht der Chronobiologe.
Auf diesem Teller verbleibt von Jahr zu Jahr mehr zurück: Seit 2000 sank die durchschnittliche Schlafenszeit an Wochentagen um 35 bis 40 Minuten, zeigte die Münchner Untersuchung. "Jährlich verlieren wir somit bis zu vier Schlafminuten pro Nacht. Im Vergleich zur Jugend von 1913 haben wir zwei Schlafstunden verloren. Daran kann sich der Körper nicht anpassen - nicht einmal in 500 Jahren", sagt Roenneberg. Am drastischsten ist der fehlende Schlaf heute im Jugendalter.
Alle sind Schichtarbeiter
Eine neue Denke über den Schlaf ist nötig, fordert der Schlafforscher. "Die verbreiteteMeinung, dass man durch kürzeren Schlaf mehr Freizeit hat, ist völlig falsch. Wer zehn Prozent länger schläft, gewinnt deutlich über zehn Prozent an Lebensqualität sowie Freude in der Arbeit und Freizeit. Denn Schlaf wirkt auf Körper, Geist und Seele des Menschen, er hilft den vergangenen Tag zu verdauen und bereitet den nächsten vor." Verkürzt man den Prozess, gelingt das nicht mehr ausreichend, mit entsprechenden negativen Folgen.
Die Studienlage zu den Folgen von chronischem Schlafentzug ist immer erdrückender: Der Alkohol-, Nikotin- und Koffeinkonsum steigt ebenso wie das Gewicht, der allgemeine Gesundheitszustand verschlechtert sich, zudem kennt man aus Untersuchungen von Schichtarbeitern auch deutliche Einbußen der Aufmerksamkeit und kognitiven Verarbeitung, der Kommunikation bis hin zur Fähigkeit, sich Gesichter zu merken, berichtet Roenneberg. "Heute ist es ein allgemeines Phänomen: Wir sind längst alle Dauerfrühschichtarbeiter."
Autor: pressetext.de; Johannes Pernsteiner (Stand: 11.05.2012)Weitere Themen:
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