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Missverstandene Patientenverfügungen

Das Schicksal der Komapatientin Terri Schiavo hat die Diskussion um den Sinn von lebenserhaltenden Maßnahmen in besonders aussichtslosen Gesundheitssituationen wieder neu entfacht.

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Für Ärzte ist die Situation eindeutig: Sie müssen – kraft des Eid des Hippokrates – das Leben schützen.
Sie können aber von diesem Eid entbunden werden, wenn der Patient in einer Patientenverfügung ausdrücklich wünscht, dass er in bestimmten Situationen nicht künstlich am Leben erhalten wird.

Jeder Mensch hat in Deutschland das Recht, mit einer Patientenverfügung festzulegen, dass im Fall einer unheilbaren Krankheit keine lebensverlängernden Maßnahmen eingeleitet werden.

In einer Umfrage unter 727 Ärzten in Bayern, Westfalen-Lippe und Thüringen, die jetzt in der DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005) veröffentlicht wurde, betrachteten mehr als 95 Prozent der Ärzte diese Dokumente als verbindlich und wichtig für ihre Entscheidungen.

Die Studie zeigt jedoch auch: Viele Ärzte stehen den Patientenverfügungen weiter skeptisch gegenüber. Zwei Drittel der Befragten vermuten nämlich, dass viele Patientenverfügungen, die in gesunden Tagen erstellt werden, nicht immer den aktuellen Wünschen der Patienten in der Sterbephase entsprechen würden.

Ebenso hoch war der Anteil der Ärzte, die eine Patientenverfügung, die älter als ein Jahr alt ist oder nicht notariell beglaubigt ist, als nicht bindend betrachten.

Für Dr. Birgitt van Oorschot von der Universität Jena sind diese Widersprüche Anzeichen einer tiefen Verunsicherung vieler Ärzte, die sie auf eine fehlende gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe zurückführt. Hinzu kommen, dass viele Ärzte die gängigen Definitionen der Sterbehilfe nicht akzeptieren.

In Deutschland wird üblicherweise zwischen verbotener „aktiver“ Sterbehilfe und der legalen „passiven“ Sterbehilfe unterschieden. Die aktive Sterbehilfe ist Tötung auf Verlangen. Die passive Sterbehilfe ist der Verzicht oder Abbruch einer lebensverlängernden Maßnahme. Dies ist jetzt der Fall bei der Komapatientin Terri Schiavo, die nach Expertenmeinung innerhalb von zwei Wochen nach dem Entfernen der Magensonde sterben wird.

Außerdem gibt es die „indirekte“ Sterbehilfe, bei der der Tod als Komplikation der Therapie in Kauf genommen wird. Dies ist möglich bei der hoch dosierten Gabe von Opiat-Schmerzmitteln.

Nicht immer können Ärzte klar zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe unterscheiden. Das macht das Thema noch einmal komplizierter. Zur passiven Sterbehilfe zählt nämlich auch die Beendigung einer künstlichen Beatmung. Doch aus der Sicht vieler Ärzte ist dies fälschlicherweise eine aktive Sterbehilfe, weil ja aktiv das Beatmungsgerät entfernt wird.

Diese Einschätzung ist aber falsch. Denn die Entfernung des Beatmungsgerätes bedeutet, die  lebenserhaltende Maßnahme zu entfernen. Aktive Sterbehilfe läge vor, wenn dem Patienten etwa ein Kissen auf das Gesicht gedrückt würde. Und das ist natürlich verboten!

Auch den Verzicht oder die Beendigung einer Flüssigkeitszufuhr ordneten ein Viertel der Ärzte in der Studie falsch ein. In der Praxis kann dies, so Dr. van Oorschot, dazu führen, dass eine Patientenverfügung nicht eingehalten wird. Abhilfe könne nur eine verbesserte Aus- und Weiterbildung der Mediziner schaffen, meint die Ärztin.

Und natürlich sind möglichst klare und eindeutige Handlungsanweisungen in den Patientenverfügungen hilfreich. Am besten ist es, nicht nur allgemein festhalten, dass auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichtet werden soll, sondern diese genau aufzuzählen.
Autor: Corinna Deckert, Beatrice Wagner; Stand: 25.03.2005; Quelle: B. van Oorschot et al.: „Einstellungen zur Sterbehilfe und zu Patientenverfügungen“ Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (6): 261-265

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