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Antibiotika: Kritischer Einsatz verringert Resistenz
Antibiotika erfordern einen sorgsamen Umgang, um ihre Wirksamkeit zu bewahren. Diesem Thema widmet sich der Europäische Antibiotikatag, der vom europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten jährlich im Herbst veranstaltet wird. Im Vorfeld des diesjährigen Tages präsentierten Experten des Nationalen Österreichischen Referenzzentrums heute, Donnerstag, in einer Wiener Pressekonferenz aktuelle Daten zur Antibiotika-Praxis und zu Resistenzen. Von einer Antibiotikaresistenz spricht man, wenn Bakterien die Wirkung von antibiotisch aktiven Substanzen abschwächen oder gar neutralisieren. Übermäßiger oder unkritischer Einsatz von Antibiotika, Unterdosierung oder Unterbrechung der Therapie gelten als Hauptursachen der in vielen Ländern zunehmenden Resistenzen.
"Speziell für Österreich gibt es sowohl positive als auch negative Entwicklungen in Bezug auf Antibiotikaresistenz", berichtet Referenzzentrums-Leiter Helmut Mittermayer. "Die Resistenzsituation ist im europäischen Vergleich noch relativ günstig. Es gibt keine generelle Resistenzbedrohung, doch treten punktuell ernste Probleme auf, die den Handlungsspielraum für die Behandlung einschränken und Gegenmaßnahmen erfordern", so der Experte. Bei den Pneumonie-Erregern Pneumokokken seien die Resistenzen in Österreich derzeit kaum nennenswert und auch Penicillin sowie verwandte Substanzen seien weiterhin gut wirksam. Anlass zur Sorge geben jedoch die starken Anstiege der Resistenzen bei den Substanzgruppen der Chinolone sowie der 3. Generation Cefalosporine. "Speziell gegenüber Fluorchinolonen, mit denen schwere septische Infektionen behandelt werden, stieg seit 2001 die Resistenz von sieben auf 27 Prozent. Bei mehr als einem Viertel der schweren Escherichia-Coli-Infektionen ist somit die Behandlung nicht wirksam", betont Mittermayer. Zudem seien viele Keime, die gegen eine Substanz resistent sind, auch gegen andere Wirkstoffe gefeit.
Wenngleich Antibiotika-Resistenzen vor allem im Krankenhausbetrieb zum Problem werden, liegt ihr Ursprung vorrangig in der Behandlung im niedergelassenen Bereich, so die einhellige Meinung der Experten. Wie unterschiedlich Ärzte Antibiotika einsetzen und welche Auswirkungen die jeweilige Praxis auf die Genesung hat, schildert Oskar Janata, für Hygiene und Antibiotika beauftragter Arzt im Wiener Donauspital. Eine Studie verglich etwa die Verschreibungsgewohnheiten in 13 europäischen Ländern bei Husten. Während Antibiotika in Mailand und Bratistlava besonders häufig eingesetzt wurden, war dies in Antwerpen sehr selten der Fall. Der Genesungsverlauf war jedoch mit oder ohne Antibiotika ident. "Es ist interessant, dass andere Maßnahmen in den Ergebnissen gleichwertig wie die teure Laborchemie sind", so Janata. In einer ähnlichen Erhebung, die Antibiotika-Verordnungen und deren langjährige Folgen bei Mittelohrentzündung kleiner Kinder verglich, zeigte bei Antibiotikaeinnahme sogar ein häufigeres Auftreten von Infektionen in den drei Folgejahren als bei anderen Behandlungsformen. "Der Patient profitiert nicht unbedingt von Antibiotika", schließt der Mediziner.
Janata lobt die niedergelassenen Ärzte in Österreich insofern, als sie Antibiotika im Ländervergleich eher restriktiv einsetzten. Wenig offizielle Daten gebe es zum Umgang der Patienten mit den verschreibungspflichtigen Medikamenten, der sogenannten Compliance. Vor häufig zu beobachtenden Praktiken sei hier zu warnen. "Werden Antibiotika nicht genommen, landen sie häufig im 'Familienschatz', wo sie für schlechte Zeiten aufbewahrt oder innerhalb der Familie weitergegeben werden. Das begünstigt die Selbstindikation, die höchst problematisch ist, da zu Beginn jeder Antibiotikatherapie eine ausreichende ärztliche Untersuchung stehen muss", verdeutlicht Janata. Max Wellan von der österreichischen Apothekerkammer ergänzt, dass manche Patienten aufgrund von Bedenken gegenüber Antibiotika diese trotz ärztlicher Anordnung nicht nehmen. "Für die Vermeidung von Resistenzen ist es jedenfalls wichtig, dass eine begonnene Antibiotika-Therapie bis zum Ende durchgeführt wird. Entscheidend ist auch die richtige Dosierung von Anfang an."
Wie unnötige Verschreibungen von Antibiotika vermieden werden können, wurde schließlich in einer weiteren Studie bei Patienten mit Fieber- und Hustensymptomen untersucht. Einer Gruppe von Ärzten empfahl man dazu die Erhebung eines Parameters zur Feststellung des Entzündungs-Schweregrades, bei anderen trainierte man Fähigkeiten der Patientenkommunikation, während eine dritte Gruppe keine Anordnungen erhielt. Zwei Drittel der Ärzte in der letzten Gruppe verordnete in Folge Antibiotika, während es bei der Bestimmung des Entzündungswertes nur 39 Prozent und bei der Gesprächsgruppe nur ein Drittel waren. "Das zeigt, dass allein durch Gespräche der Antibiotika-Einsatz halbiert wird. Ein Arzt sollte Antibiotika nicht verschreiben, sondern erklären, indem er Vor- und Nachteile mit dem Patienten bespricht und auf dessen Unsicherheiten eingeht. Das ist insgesamt nicht nur billiger, sondern auch viel sympathischer für alle Beteiligten. Ärzte, die sich für Gespräche Zeit nehmen, werden zudem viel seltener von Patienten verklagt", so Janata. Das Aufkommen der wesentlich billigeren Generica habe Antibiotika allerdings für Geldgeber uninteressant gemacht, was für die Kommunikation ein Nachteil sei. "Da der Kostenaspekt weggefallen ist, sind Ärzte viel eher bereit, Patienten bei einem teuren Pilzmittel Gesprächszeit zu widmen als bei Antibiotika", berichtet der Wiener Mediziner.
Autor: Johannes Pernsteiner; pressetext.at; Stand: 24.09.2009