Tipp des Tages
Blinddarmentzündung: Im Zweifel besser operieren lassen
Blinddarmentzündung – das klingt so harmlos, aber ist erstens doch recht gefährlich und zweitens auch ganz schön kompliziert. Denn die Beschwerden sind nie lehrbuchmäßig, weshalb es oft zu lebensgefährlichen Fehleinschätzungen kommt. Ich erinnere mich gut an einen solchen Fall in meiner Landarztpraxis: Sechs bis sieben Mal wurde ich nachts wegen Verdacht auf eine Blinddarmentzündung zu einem jungen Mädchen gerufen. Aber es war jedes Mal nur der (schmerzhafte) Beginn der Monatsblutung. Als der nächste Notruf kam, natürlich mitten in der Nacht, bin ich nicht aufgestanden, weil ich dachte, es sei sowieso nur wieder die Periode.
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Zwei Stunden später aber hatte ich die Eltern schon wieder am Telefon, sie meinten, es sei diesmal doch schlimmer als sonst. Jetzt aber sprang ich aus dem Bett, gerade noch rechtzeitig: Der Bauch des Mädchens war bretthart, sie hatte Schweißperlen auf der Oberlippe und schaute mich mit glasigen Augen an. Für mich war klar, das ist eine akute Blinddarmentzündung und durch den starken Schmerz hat das Mädchen eine Schocksymptomatik entwickelt. Ich wies sie augenblicklich ins Krankhaus ein, dort wurde sie sofort operiert – der Blinddarm war kurz vor dem PlatzenWas ist eine Blinddarmentzündung?
Wobei, genau gesagt es gar nicht der Blinddarm ist, sondern nur sein Wurmfortsatz, der sich so oft entzündet. Beide Teile befinden sich im rechten Unterbauch, dort wo der Dünndarm in den Dickdarm übergeht. Unterhalb der Dickdarmklappe buchtet sich nach unten der Blinddarm aus (während der Dickdarm dann aufsteigend nach oben verläuft). An ihm hängt der etwa 8 cm lange und einen halben bis einen Zentimeter dicke Wurmfortsatz (Appendix vermiformis). Blinddarm und Wurmfortsatz sind für die Verdauung nutzlos, denn sie sind von einem früheren größeren Darmanhang übriggeblieben, in dem die Nahrung aufgeschlossen wurde.
Der heute kürzere Darm geht übrigens auf die Entdeckung der Nutzbarmachung des Feuers zurück. Denn von dem Moment an konnte man das Fleisch garen. Das ist wie eine Vorverdauung, die dem Darm Arbeit abnimmt. Nutzlos geworden, begann er sich zu verkürzen, auch der Blinddarm. Der Wurmfortsatz ist also ein geschrumpfter Anteil des Blinddarms, welcher früher zur Nahrungsaufschließung gebraucht worden ist. So ist der Wurmfortsatz auch immer noch mit einer bestimmten Darmschleimhaut von innen ausgekleidet (Peyersche Plaques), die wichtige Lymphzellen für das Abwehrsystem bilden. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass es zu einer Blinddarmentzündung kommt.
Denn oft wird der Ausgang des Wurmfortsatzes verstopft, meist durch Kotreste, oder auch durch Parasiten oder Verklebungen. Dann stauen sich die gebildeten Lymphzellen, das Gewebe wird überreizt und entzündet sich. Auch Darmentzündungen wie Morbus Crohn können zu einer Blinddarmentzündung führen, ebenso bakterielle Infektionen. Bei Schwangeren kann es vorkommen, dass sich durch das werdende Kind ein Knick im Wurmfortsatz bildet, welcher den Abflussstau verursacht. Meist aber sind Schulkinder betroffen, trotzdem tritt die Blinddarmentzündung in jedem Lebensalter auf.
Symptome
Die Krankheit beginnt meist mit Appetitlosigkeit, Übelkeit und gelegentlichem Erbrechen und / oder einem Durchfall. Typisch ist auch, dass die Symptome erst einmal wieder zurückgehen, bis dann die Schmerzen auftreten: Zuerst meist im Oberbauch, dann verlagern sie sich in den rechten Unterbauch.

Außerdem wird aufgrund der Schmerzen die Bauchdecke hart, das sind verhärtete Bauchmuskeln, die jetzt eine Abwehrspannung bilden. Bis jetzt können die Symptome allerdings noch andere Ursachen haben, es können Bauchkoliken, eine Eierstockentzündung oder eine Nieren- oder Harnwegsinfektion sein. Junge Mädchen sind auch oft alarmiert, wenn sich ihre erste Blutung ankündigt, weil sie dieses Gefühl noch gar nicht richtig einordnen können. Trotzdem sollten Sie zum Arzt gehen, besser einmal zu viel als einmal zuwenig. Der kann manchmal aufgrund seiner Erfahrung spontan sagen, ob es eine Blinddarmentzündung ist. Oder er macht weitere Tests. Er nimmt Ihnen Blut ab und bestimmt die Zahl der Leukozyten und die Blutsenkungsgeschwindigkeit.
Ist beides erhöht, spricht dies für eine Entzündung im Körper. Er misst auch die Temperatur, und zwar an zwei Stellen: Einmal in den Achseln und einmal rektal, d. h. im After. Ist der rektale Wert höher als der Achselwert, ist dies ein weiteres Zeichen für eine Entzündung im Unterleib. Oft müssen auch einfach mehrere Anzeichen zusammenkommen, sodass die Wahrscheinlichkeit für einen Blinddarmentzündung erhöht ist. Teilweise lassen sich Anzeichen auch über Ultraschall erkennen.
Therapie
Der niedergelassene Arzt wird Sie dann ins Krankenhaus überweisen. Denn es gibt keine andere Therapiemöglichkeit, als den Wurmfortsatz herauszunehmen. Möglich ist es, dass sich unter einem Nahrungsmittelentzug der Stau löst und das Lymphsekret abfließt. Es besteht dann aber auch die Gefahr, dass sich der Wurmfortsatz in dieser Zeit immer weiter füllt, bis er zum Platzen gespannt ist und durchbricht. Dann kann es zu einer lebernsgefährlichen Bauchhöhlenvereiterung kommen.
Deshalb sollte im Zweifelsfall immer operiert werden, – mit dem Risiko, dass sich bei immerhin drei von zehn Operationen herausstellt, dass der Wurmfortsatz nicht entzündet ist. In diesen Fällen muss weiter nach der Ursache der Bauchschmerzen gesucht werden. Wenn nicht, hat man es geschafft. Eine Blinddarmoperation verläuft meist ohne Komplikationen. Oft kann sie sogar im Rahmen einer Bauchspiegelung durchgeführt werden.
Was ist eine Laparoskopie?
Eine Laparoskopie ist eine Bauchspiegelung. Dabei wird die Bauchhöhle von innen mit einem Spezialendoskop (Laparoskop) betrachtet. Es können damit auch „Schlüsselloch-Operationen“ durchgeführt werden, z. B. bei einer Endometriose, bei Verklebungen der Eileiter, zur Entfernung einer entzündeten Gallenblase oder eines entzündeten Blinddarm-Wurmfortsatzes. Diese Methode hat den Vorteil, dass kein großer Operationsschnitt notwendig ist und der Eingriff teilweise sogar ambulant durchgeführt werden kann. Die Bauchdecke wird (unter Narkose) in der Nähe des Bauchnabels einfach nur durchstochen.
Durch das Loch wird ein dünnes Rohr geschoben und Gas in den Bauchraum gedrückt. Dies bläht den Bauchraum auf und trennt die Bauchorgane voneinander. Dann wird ein anderes Röhrchen in den Bauchraum eingeführt. Es wird Trokar genannt. Hierüber wird eine Art Spezialfernrohr, natürlich winzig klein, in den Bauchraum geleitet, mit dem sich der Arzt die Innenwelt anschauen kann. Über ein zweites Trokar können dann auch operative Instrumente in den Bauchraum geführt werden, so etwa kleine Spezialmesser zum Herausschneiden des Blinddarms oder Absauggeräte. Ist die Operation beendet, wird das Gas wieder abgelassen, die Trokare werden herausgezogen und die kleinen Einstichlöcher fest verschlossen. Autor: Dr. med. Günter Gerhardt
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