Tipp des Tages
Kinderlähmung: Die Viruskrankheit ist noch nicht besiegt
Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam. So lautete die Werbung Anfang der 60er Jahre für die Impfung gegen Kinderlähmung. Denn der Impfstoff wurde auf ein Stückchen Zucker geträufelt und dann den Kindern zum Schlucken gegeben. Der Erfolg war sensationell. Vor Einführung der Impfung, also bis 1960/61, erkrankten in der Bundesrepublik durchschnittlich 4000 Personen im Jahr. Aber schon 1963, nach Einführung der Schluckimpfung, waren es nur noch wenige Personen. 15 Jahre später, im Jahre 1978 traten dann die letzten Fälle bei Kleinkindern in Deutschland auf. Zwar gibt es immer noch Einzelerkrankungen, aber die wurden von anderen Patienten aus Seuchengebieten eingeschleppt.
So verläuft die Ansteckung
Der Krankheitserreger ist das Poliovirus. Es fühlt sich in warmen Temperaturen am Wohlsten, weshalb früher die Polioepidemien in Deutschland stets in den Sommer- und Herbstmonaten aufgetreten sind. In tropischen und subtropischen Gebieten kommen die Viren ganzjährig vor. Die Ansteckungsgefahr ist unter schlechten sanitären Verhältnissen und mangelnder Hygiene groß, denn die Viren verbreiten sich vor allem durch Berührung mit dem Stuhlgang und durch verseuchtes Essen und Trinken. In Einzelfällen können sie auch durch Tröpfchensekrete weitergetragen werden.
Die Ansteckungszeit beträgt 5 bis 10 Tage. Die Viren dringen in dieser Zeit in das lymphatische Gewebe von Mandeln und der Darmschleimhaut (peyersche Plaques) vor, wo sie sich vermehren. Schließlich kommt es zur Ausschüttung in das Blut.
Krankheitsanzeichen
Sind die Viren im blut, macht sich das durch allgemeine Krankheitssymptome bemerkbar, wie Fieber, Halsschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit. In diesem Stadium denkt man auch zuerst an eine Erkältung und sicher nicht an eine Kinderlähmung. In 99 Prozent der Fälle bleibt es auch dabei und das Virus wird vom Immunsystem wieder zurückgedrängt. Bei einem Prozent aber gelangen die Viren auch ins Gehirn und ins Rückenmark. Hier richten sie viel Unheil an, denn sie zerstören die Nervenzellen.
Dies macht sich zuerst über Nacken-, Rücken- und Gliederschmerzen bemerkbar. Das Hauptstadium mit den bekannten Lähmungserscheinungen erfolgt ein bis mehrere Tage später. Weil man am Anfang nur die Lähmungen vor allem an den Beinen sah, aber deren Ursache noch nicht kannte, wurde die Krankheit als „Poliomyelitis“ bezeichnet, als vielfältige Muskelentzündung. Der Begriff hat sich bis heute in der Medizin gehalten, obwohl man mittlerweile weiß, dass nicht die Muskeln, sondern die sie ansteuernden Nerven beschädigt sind.
Schwere Folgen
Haben die Schädigungen nur ein geringes Ausmaß, können sie sich innerhalb von zwei Monaten zurückbilden. Hochgradige Lähmungserscheinungen gehen allerdings nicht wieder vollständig zurück. Wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind, die sich noch in der Wachstumsphase befinden, hat das schwere Folgen. Denn die betroffenen Körperpartien wachsen nicht weiter. Das führt zu einseitigem Wachstum mit teilweise sehr schweren Verformungen. Lebensbedrohlich wird der Virusbefall dann, wenn Nerven befallen werden, die die Atemmuskulatur oder die Gefäßregulation ansteuern.
Post-Polio-Syndrom
Aber auch nach vermeintlich überstandener Krankheit sind die Gefahren noch nicht gebannt, denn es gibt auch noch das Post-Polio-Syndrom. Hier kann es 20 bis 40 Jahre nach der Ansteckung plötzlich wieder zu neuen Lähmungserscheinungen kommen. Die Ausfallerscheinungen treten langsam und schleichend auf. Die häufigsten Probleme sind Ermüdung, Schwäche und Schmerzen in Muskeln und Gelenken. Sie führen zu zunehmenden Schwierigkeiten beim Laufen, Treppensteigen und Anziehen.
Die Ursache dafür wird noch diskutiert. Als plausibel gilt die folgende Erklärung: Nach einer durchgemachten Kinderlähmung sind die noch verbliebenden Nerven für die Muskelansteuerung stärker als vorher gefordert. Dies betrifft die motorischen Ganglien im Rückenmark und die Steuerzentren im Gehirn. Mit der Zeit besteht die Gefahr, dass die Nerven überlastet werden und irgendwann dekompensieren. Das Post-Polio-Syndrom ist im Gegensatz zur akuten Kinderlähmung recht unerforscht, weshalb es z. B. gar nicht so leicht ist, diese Krankheit von anderen Nervenerkrankungen abzugrenzen.
Typisch für das Post-Polio-Syndrom ist allerdings, dass es ebenso wie auch die Kinderlähmung unsymmetrisch auftritt, also nie z. B. beide Arme oder Beine in gleicher Weise betrifft.
Therapie
Mit der Therapie sieht es schlecht aus. Medikamente gibt es noch nicht. Deswegen sollten Sie folgende Grundsätze beherzigen: Vermeiden Sie es, geschwächte Muskeln weiter übermäßig zu beanspruchen. Leben Sie daher regelmäßig Pausen ein und benutzen Sie auch Gehilfen.
Sorgen Sie also auf jeden Fall vor, dass Sie diese schreckliche Krankheit nicht bekommen und vor allem auch nicht an Kinder übertragen. Die einzige Möglichkeit dazu besteht in einer Vorsorgeimpfung.
Auch als Erwachsener an Auffrischimpfung denken
Die klassische Polioimpfung erfolgt im Kindesalter. Der Impfstoff führt zu einer Immunisierung durch die Bildung von Antikörpern. Schauen Sie doch gleich einmal in Ihrem gelben Impfass nach, ob Sie dort diese Impfungen finden. Wenn nicht, sollten Sie davon ausgehen, dass eine Impflücke besteht. Als gut geimpft gelten Erwachsene mit mindestens 4 dokumentierten Impfungen in der Kindheit oder Jugend bzw. einer Grundimmunisierung im Erwachsenenalter.
Wenn das für Sie nicht zutrifft, sollten Sie sich noch einmal impfen lassen, egal in welchem Alter.
Die berühmte Schluckimpfung hat übrigens ausgedient. Heute wird nur noch mit einer Spritze geimpft. Der Grund besteht darin, dass zur Schluckimpfung abgeschwächte Viren verwendet wurden, wodurch es hin und wieder zu Komplikationen gekommen war. Für den gespritzten Impfstoff kann man aber inaktivierten Viren nehmen, die sehr gut verträglich sind.
Für Kinder erfolgt die Polioimpfung in Kombination mit anderen Impfungen, sodass dafür nicht extra gepiekst werden muss. Autor: Dr. med. Günter Gerhardt
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Derzeit sind es vier Länder, nämlich Nigeria, Indien, Afghanistan und Pakistan, in denen immer wieder herdartig Kinderlähmungsfälle auftreten. Weil man aber nicht ausschließen kann, dass von hier aus die Kinderlähmung auch nach Deutschland getragen wird, ist die Weiterimpfung gegen Kinderlähmung wichtig. Denn bei fehlendem aktuellem Impfschutz können Reisende Polioviren nach Deutschland importieren (auch ohne selbst zu erkranken) und dort eine Gefährdung für ungeimpfte Personen sein. Trotz dieser Gefahr hat die WHO im Jahr 2002 die Region Europas, und damit auch Deutschland, als „Poliofrei“ zertifiziert.So verläuft die Ansteckung
Der Krankheitserreger ist das Poliovirus. Es fühlt sich in warmen Temperaturen am Wohlsten, weshalb früher die Polioepidemien in Deutschland stets in den Sommer- und Herbstmonaten aufgetreten sind. In tropischen und subtropischen Gebieten kommen die Viren ganzjährig vor. Die Ansteckungsgefahr ist unter schlechten sanitären Verhältnissen und mangelnder Hygiene groß, denn die Viren verbreiten sich vor allem durch Berührung mit dem Stuhlgang und durch verseuchtes Essen und Trinken. In Einzelfällen können sie auch durch Tröpfchensekrete weitergetragen werden.
Die Ansteckungszeit beträgt 5 bis 10 Tage. Die Viren dringen in dieser Zeit in das lymphatische Gewebe von Mandeln und der Darmschleimhaut (peyersche Plaques) vor, wo sie sich vermehren. Schließlich kommt es zur Ausschüttung in das Blut.
Krankheitsanzeichen
Sind die Viren im blut, macht sich das durch allgemeine Krankheitssymptome bemerkbar, wie Fieber, Halsschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit. In diesem Stadium denkt man auch zuerst an eine Erkältung und sicher nicht an eine Kinderlähmung. In 99 Prozent der Fälle bleibt es auch dabei und das Virus wird vom Immunsystem wieder zurückgedrängt. Bei einem Prozent aber gelangen die Viren auch ins Gehirn und ins Rückenmark. Hier richten sie viel Unheil an, denn sie zerstören die Nervenzellen.
Dies macht sich zuerst über Nacken-, Rücken- und Gliederschmerzen bemerkbar. Das Hauptstadium mit den bekannten Lähmungserscheinungen erfolgt ein bis mehrere Tage später. Weil man am Anfang nur die Lähmungen vor allem an den Beinen sah, aber deren Ursache noch nicht kannte, wurde die Krankheit als „Poliomyelitis“ bezeichnet, als vielfältige Muskelentzündung. Der Begriff hat sich bis heute in der Medizin gehalten, obwohl man mittlerweile weiß, dass nicht die Muskeln, sondern die sie ansteuernden Nerven beschädigt sind.
Schwere Folgen
Haben die Schädigungen nur ein geringes Ausmaß, können sie sich innerhalb von zwei Monaten zurückbilden. Hochgradige Lähmungserscheinungen gehen allerdings nicht wieder vollständig zurück. Wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind, die sich noch in der Wachstumsphase befinden, hat das schwere Folgen. Denn die betroffenen Körperpartien wachsen nicht weiter. Das führt zu einseitigem Wachstum mit teilweise sehr schweren Verformungen. Lebensbedrohlich wird der Virusbefall dann, wenn Nerven befallen werden, die die Atemmuskulatur oder die Gefäßregulation ansteuern.
Post-Polio-Syndrom
Aber auch nach vermeintlich überstandener Krankheit sind die Gefahren noch nicht gebannt, denn es gibt auch noch das Post-Polio-Syndrom. Hier kann es 20 bis 40 Jahre nach der Ansteckung plötzlich wieder zu neuen Lähmungserscheinungen kommen. Die Ausfallerscheinungen treten langsam und schleichend auf. Die häufigsten Probleme sind Ermüdung, Schwäche und Schmerzen in Muskeln und Gelenken. Sie führen zu zunehmenden Schwierigkeiten beim Laufen, Treppensteigen und Anziehen.
Die Ursache dafür wird noch diskutiert. Als plausibel gilt die folgende Erklärung: Nach einer durchgemachten Kinderlähmung sind die noch verbliebenden Nerven für die Muskelansteuerung stärker als vorher gefordert. Dies betrifft die motorischen Ganglien im Rückenmark und die Steuerzentren im Gehirn. Mit der Zeit besteht die Gefahr, dass die Nerven überlastet werden und irgendwann dekompensieren. Das Post-Polio-Syndrom ist im Gegensatz zur akuten Kinderlähmung recht unerforscht, weshalb es z. B. gar nicht so leicht ist, diese Krankheit von anderen Nervenerkrankungen abzugrenzen.
Typisch für das Post-Polio-Syndrom ist allerdings, dass es ebenso wie auch die Kinderlähmung unsymmetrisch auftritt, also nie z. B. beide Arme oder Beine in gleicher Weise betrifft.
Therapie
Mit der Therapie sieht es schlecht aus. Medikamente gibt es noch nicht. Deswegen sollten Sie folgende Grundsätze beherzigen: Vermeiden Sie es, geschwächte Muskeln weiter übermäßig zu beanspruchen. Leben Sie daher regelmäßig Pausen ein und benutzen Sie auch Gehilfen.
Sorgen Sie also auf jeden Fall vor, dass Sie diese schreckliche Krankheit nicht bekommen und vor allem auch nicht an Kinder übertragen. Die einzige Möglichkeit dazu besteht in einer Vorsorgeimpfung.
Auch als Erwachsener an Auffrischimpfung denken
Die klassische Polioimpfung erfolgt im Kindesalter. Der Impfstoff führt zu einer Immunisierung durch die Bildung von Antikörpern. Schauen Sie doch gleich einmal in Ihrem gelben Impfass nach, ob Sie dort diese Impfungen finden. Wenn nicht, sollten Sie davon ausgehen, dass eine Impflücke besteht. Als gut geimpft gelten Erwachsene mit mindestens 4 dokumentierten Impfungen in der Kindheit oder Jugend bzw. einer Grundimmunisierung im Erwachsenenalter.
Wenn das für Sie nicht zutrifft, sollten Sie sich noch einmal impfen lassen, egal in welchem Alter.
Die berühmte Schluckimpfung hat übrigens ausgedient. Heute wird nur noch mit einer Spritze geimpft. Der Grund besteht darin, dass zur Schluckimpfung abgeschwächte Viren verwendet wurden, wodurch es hin und wieder zu Komplikationen gekommen war. Für den gespritzten Impfstoff kann man aber inaktivierten Viren nehmen, die sehr gut verträglich sind.
Für Kinder erfolgt die Polioimpfung in Kombination mit anderen Impfungen, sodass dafür nicht extra gepiekst werden muss. Autor: Dr. med. Günter Gerhardt
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