RATGEBER - Depressionen
Unterstützende Behandlungsmöglichkeiten
Neben der psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung gibt es noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die gegen Depressionen oder depressive Verstimmungen ergriffen werden können.
Sport als Therapie
Körperliche Bewegung kann gegen Depressionen helfen. Der Grund dafür ist die enge Wechselwirkung zwischen dem Muskelstoffwechsel und dem „Limbischen System“ im Gehirn, welches unter anderem für die Gefühlswelt zuständig ist.
Wichtig ist, dass Sie sich mit der gewählten Sportart wohl fühlen. Vermeiden Sie in jedem Fall Überanstrengungen.
Am besten ist es, den Sport an frischer Luft zu treiben.
Radfahren, Walken oder Jogging im Freien helfen nämlich nicht nur gegen depressive Störungen, sondern steigern auch die Denkleistung und das Erinnerungsvermögen von Depressiven. Wissenschaftler des Duke University Medical Centers (North Carolina) vermuten, dass dieser Effekt auf eine verbesserte Sauerstoffversorgung des Gehirns zurückzuführen ist.
Wichtig ist auch, das Sportprogramm durch Bewegungen im Alltag zu ergänzen. Nehmen Sie die Treppe statt des Fahrstuhls oder der Rolltreppe. Lassen Sie das Auto stehen, wenn Sie kleinere Besorgungen zu Fuß oder mit dem Rad erledigen können.
Gehen Sie bei schönem Wetter mittags nicht in die Kantine, sondern nutzen Sie die Zeit für einen Spaziergang. Vielleicht haben Sie in Ihrer Nachbarschaft ja auch einen Hund, mit dem Sie öfter mal rausgehen können.
Mehr Sport = weniger Rückfälle
Sport hilft nicht nur relativ schnell gegen depressive Verstimmungen und leichte Formen der Depression, sondern kann offenbar auch langfristig vor Rückfällen schützen.
Der Psychologe James A. Blumenthal verglich bei depressiven Versuchsteilnehmern die Wirkung von Sport mit der eines Antidepressivums (Wirksubstanz Sertralin).
Kurzfristig erwiesen sich dabei beide Maßnahmen als etwa gleich wirksam. Nach sechs Monaten zeigte sich aber, dass die Rückfallquote in der „Sportgruppe“ wesentlich niedriger war.
Dieses Ergebnis erklärt Blumenthal damit, dass der Sport den Betroffenen wieder mehr Kontrolle über ihr Leben gibt.
Das verbesserte Körpergefühl sorgt zudem für ein gesteigertes Selbstvertrauen. Darüber hinaus gaben die depressiven Versuchsteilnehmer an, dass ihnen das regelmäßige gemeinsame Trainieren in der Gruppe sehr gut getan hat.
Ein gemäßigtes Sportprogramm hat sich auch bei der Depressionsbehandlung älterer Menschen bewährt. Allerdings ist der Schutz nur so lange vorhanden, wie
die Person wirklich aktiv ist.
Vor Beginn der sportlichen Aktivitäten sollten mit Hilfe eines Arztes unbedingt die gesundheitlichen Risiken abgeklärt werden. Dieser kann dann auch bei der Auswahl einer geeigneten Sportart behilflich sein. Für ein gemäßigtes Sportprogramm gibt es keine Altersgrenze! Das gilt auch für Senioren, die sich in früheren Jahren wenig bewegt haben.
Wichtig: Bei mittelschweren und schweren Formen der Depression ist der Betroffene mit einem Sportprogramm in jedem Fall überfordert. Hier muss erst einmal die Depression mit Hilfe entsprechender Antidepressiva und / oder psychotherapeutischer Maßnahmen behandelt werden!
Schlafentzug
Die meisten Depressiven leiden unter Schlafstörungen. Stundenlanges Wachliegen führt dazu, dass sich Betroffene oft den ganzen nächsten Tag erschöpft und wie gerädert fühlen.
Viele wollen nur eins: endlich mal wieder richtig durchschlafen. Umso widersprüchlicher erscheint den meisten deshalb auch die Aufforderung, ganz wach zu bleiben.
Inzwischen konnte im Rahmen wissenschaftlicher Studien jedoch belegt werden, dass die Betroffenen nicht die ganze Nacht durchwachen müssen.
Oft hilft es schon, den Schlafrhythmus deutlich nach vorn zu verschieben, also beispielsweise schon um 21 Uhr statt erst um 24 Uhr schlafen zu gehen.
Vor allem in der zweiten Nachthälfte und am frühen Morgen darf nicht geschlafen werden. In dieser Zeit vermehren sich während des Schlafes Überträgerstoffe, die bestimmte Botenstoffe im Gehirn durcheinander bringen und so die Depression verstärken.
Nach einer schlaflosen oder schlafreduzierten Nacht geht es den Depressiven am nächsten Morgen deutlich besser. Allerdings hält die Wirkung nur ungefähr ein bis zwei Tage an.
Lichttherapie
Die Lichttherapie wird zur Behandlung so genannter saisonal bedingter Depressionen (SAD) eingesetzt. Bei der Lichttherapie wird der Betroffene bis zu einer Woche lang täglich für 30 bis 40 Minuten einer starken Lichtquelle ausgesetzt.
Das Licht sorgt für eine verstärkte Ausschüttung bestimmter Botenstoffe. Die Therapie wirkt offenbar am besten, wenn sie vormittags angewendet wird.
Elektrokrampftherapie
In einigen schweren Fällen helfen bei Depressionen weder Psychotherapie noch verschiedene Antidepressiva.
Möglicherweise ist ein letzter Ausweg aus der Depression die ursprünglich von den italienischen Psychiatern Cerletti und Bini zur Behandlung von Schizophrenie entwickelte Elektrokrampftherapie (EKT).
Unter Narkose erhält der Patient einen Stromstoß von 70 bis 130 Volt, der einen Krampfanfall auslöst. Die Behandlung muss innerhalb von drei Wochen neun- bis zwölfmal wiederholt werden.
Dank neuer Verfahren konnten die früher oft massiven Nebenwirkungen der Elektrokrampftherapie mittlerweile verringert werden. So kam es früher durch die starken Muskelkräfte während des Krampfes in manchen Fällen zu Knochenbrüchen. Dies wird durch das Einnehmen von Muskelentspannungsmedikamenten heute verhindert.
Nach wie vor ist der Eingriff jedoch mit gewissen Risiken – wie Kopfschmerzen oder vorübergehenden Gedächtnisstörungen – verbunden. Viele Betroffene fühlen sich aber nach der Elektrokrampftherapie wie neu geboren, vor allem dann, wenn sie bereits einen jahrelangen erfolglosen Behandlungsmarathon hinter sich haben.
Die Wirkung der Elektrokrampftherapie setzt rasch ein, hält aber ohne medikamentöse Nachbehandlung nicht dauerhaft an: 50 bis 80 Prozent der Behandelten erleiden innerhalb von sechs bis zwölf Monaten einen Rückfall.
In der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass nach der Elektrokrampftherapie auch vorher therapieresistente Klienten auf Antidepressiva ansprechen.
Transkranielle Magnetstimulation
Die „transkranielle Magnetstimulation“ (TMS) bedeutet übersetzt: Magnetstimulation durch den Schädelknochen hindurch. Sie ist in gewisser Weise die kleine Schwester der Elektrokrampftherapie.
Bei dem noch relativ neuen elektrischen Verfahren wird auf dem Kopf des Patienten eine Magnetspule befestigt. Die von der Spule ausgehenden Impulse sollen die Nervenzellen im Gehirn anregen und so den Stoffwechsel und die Durchblutung in den stimulierten Hirnregionen steigern. Dies wirkt sich positiv auf die Stimmungslage vieler Patienten aus.
Die Methode ist besonders gut für die Behandlung mittelschwerer Depressionen geeignet, ergab eine Münchener Studie aus dem Jahr 2002. Weiterhin geht daraus hervor, dass die Behandlung auch bei den Patienten hilft, die bereits mehrere erfolglose Therapieversuche mit Antidepressiva hinter sich haben.
Die Magnetstimulation wird jedoch immer ergänzend zur medikamentösen Therapie eingesetzt.
Zur Zeit wird das Verfahren vor allem in psychiatrischen Universitätskliniken angeboten – oft in Verbindung mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Sollten sich die Anfangserfolge dieser Methode jedoch bestätigen, so wird ihre Verbreitung sicherlich weiter zunehmen.