RATGEBER - Cannabis auf Rezept
Cannabis – Das Wichtigste in Kürze
Cannabis
Das Wichtigste in Kürze über Geschichte, Botanik, Inhaltsstoffe, Wirkweise, Heilanzeigen und Rechtliches.
In "Schnell informiert" haben wir für Sie die Hauptinformationen dieses Abschnitts zusammengefasst.
Wenn Sie mehr zu den angesprochenen Themen wissen möchten, finden Sie diese in der Navigationsleiste links.
Hanf (Cannabis sativa) ist eine der ältesten Kulturpflanzen, bereits um 8000 vor Christus wurden Stoffe aus Hanf hergestellt.
Bis ins 19. Jahrhundert wurden Stoffe, Seile, Papier und sogar Farben fast ausschließlich aus Hanf hergestellt.
Sogar die erste Levis-Jeans aus dem Jahr 1870 bestand aus Hanf, da dieses Material widerstandsfähiger und reißfester ist als Baumwolle.
Als Heilmittel spielte Hanf bereits bei den Assyrern eine Rolle, die Hanfprodukte bei Darmbeschwerden verwendeten.
In China war Hanf um 200 nach Christus zusammen mit anderen Substanzen als erstes Narkosemittel im Einsatz.
Auch Hildegard von Bingen lobte die schmerzstillende Wirkung von Hanf und die britischen Ärzte, die im 19. Jahrhundert in der britischen Kolonie Indien beschäftigt waren, schätzen die entzündungshemmende und muskelentspannende Wirkung von Cannabis.
Die Heimat von Cannabis liegt in Zentralasien, von wo aus sich die Pflanze rasch verbreitet hat. Cannabis ist eine sehr robuste Pflanze, die in nur 100 Tagen über vier Meter und höher werden kann.
Interessant für die medizinische Verwendung von Cannabis ist das klebrige Harz, das besonders die weiblichen Blüten absondern, da sich darin die medizinisch wichtigen Inhaltsstoffe der Pflanze befinden.
Wirkstoffe und Wirkweise
Die wichtigsten dieser natürlichen und nur in der Cannabispflanze vorkommenden Inhaltsstoffe sind die Cannabinoide.
Momentan sind 66 unterschiedliche Cannabinoide bekannt, die jedoch je nach den Wachstumsbedingungen der Pflanze unterschiedlich stark konzentriert vorliegen können.
Das bekannteste Cannabinoid ist das THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol), dem die meisten medizinischen Wirkungen zugeschrieben werden. Weitere wichtige Cannabinoide sind Cannabidiol (z. B. im CBD Öl), Cannabichromen und Cannabigerol.
Die Wirkungsweise der Cannabinoide im Körper war lange Zeit nicht klar, bis man Ende der achtziger Jahre so genannte Rezeptoren an der Zelloberfläche fand, an denen die Cannabinoide "andocken". Diese Rezeptoren sind zum einen vor allem in Gehirn und Rückenmark vorhanden.
Wenn hier die Cannabinoide binden, können sie die Schmerzweiterleitung unterbrechen und das Schmerzempfinden dämpfen.
Eine hohe Konzentration von Rezeptoren findet sich auch in den Hirnbereichen, die für die Koordination von Bewegungen zuständig sind (Kleinhirn und Basalganglien). Dies erklärt den Einfluss von Cannabis auf die Muskeltätigkeit.
Weiterhin befinden sich Cannabis-Rezeptoren in einem Teil des Gefühlszentrums (Limbisches System), sowie in dem Teil des Gehirns, der für Bewusstsein und Gedächtnis zuständig ist (vordere Großhirnrinde). Damit wird verständlich, warum Cannabis antidepressiv wirkt und sogar eine Hochstimmung hervorrufen kann.
Weitere Rezeptoren sind in einigen inneren Organen und Drüsen zu finden. Welche Wirkung die Cannabinoide hier hervorrufen, wird derzeit erforscht.
Die Frage nach der natürlichen Aufgabe des körpereigenen Cannabinoid-Systems wurde 1992 sensationell beantwortet: Der Körper bildet selbst Botenstoffe, die den Cannabinoiden ähneln und die an die gleichen Rezeptoren andocken: die Endocannabinoide .
Dies bedeutet soviel wie "im Körperinnern gebildete Cannabinoide". Diese scheinen sich z. B. auf bestimmte Schmerzreize hin zu bilden. Zudem scheint in einigen Hirnbereichen eine kontinuierliche Bildung ohne Reize stattzufinden.
Die Endocannabinoide haben das gesamte Wirkungsspektrum, das auch von THC bekannt ist, allerdings sind sie in ihrer Wirkung wesentlich schwächer und werden auch schneller abgebaut als Cannabinoide.
Die therapeutische Gabe von Cannabis unterstützt und verstärkt also das System, das der Körper selbst zur Schmerzkontrolle und Bewegungskoordination aufgebaut hat.
Wirkungen und Heilanzeigen
Die sieben Hauptwirkungen der Cannabinoide sind im Einzelnen:
- beruhigend und angstlösend
- stimmungsaufhellend
- schmerzlindernd
- appetitanregend
- wirksam gegen Übelkeit und Erbrechen
- krampflösend und muskelentspannend
- antientzündlich.
Das Besondere an den Cannabinoiden besteht also darin, dass sie unterschiedliche Wirkungen hervorrufen können. Da es so genannte multisymptomatische Krankheiten gibt, also Krankheiten mit viele unterschiedlichen Beschwerden, müssen unterschiedliche Medikamente gefunden werden, die miteinander harmonieren und keine Wechselwirkungen hervorrufen.
Hier bietet Cannabis einen entscheidenden Vorteil: Man kann mit einem Stoff viele Beschwerden auf einmal therapieren, ohne dass sich unwillkommene Wechselwirkungen entwickeln. So erweist sich der gleichzeitig stimmungsaufhellende, angstlösende und appetitsteigernde Effekt bei Krebs oder Aids als vorteilhaft.
Bei folgenden Heilanzeigen kann die Gabe von Cannabispräparaten sinnvoll sein:
- Krebs und Aids: Hier wirkt es gegen Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit der Chemotherapie, sowie gegen Schmerzen, bei depressiver Verstimmung und zur Appetitsteigerung.
- Multiple Sklerose: Hier hilft es bei der Behandlung von Muskelkrämpfen, sowie bei depressiven Verstimmungen.
- Chronische und neuropathische Schmerzen: Hier unterstützt es das körpereigene Schmerzabwehrsystem und wirkt stimmungsaufhellend.
- Grüner Star: Hier kann es helfen, den erhöhten Augeninnendruck zu senken.
Nebenwirkungen
Wie jedes Arzneimittel hat auch Cannabis bestimmte Nebenwirkungen. Das heißt, für einen Patienten kann die muskelentspannende Wirkung sehr angenehm, die appetitsteigernde Wirkung jedoch eher unangenehm sein.
Physische Nebenwirkungen können Mundtrockenheit, Schwindel und Herzfrequenzbeschleunigung sein.
Psychische Wirkungen sind Euphorie, aber auch das Gefühl des Kontrollverlustes, eine veränderte Zeitwahrnehmung und Halluzinationen.
Beide Arten von Nebenwirkungen sind dosisabhängig und verschwinden innerhalb von Stunden. Schwangere und Stillende, ebenso Patienten mit einer Herzerkrankung sollten Cannabis nicht nehmen.
Die Wirkung der Cannabis-Sorten Indica, Sativa und Ruderalis
In Deutschland wurde im Märze 2017 ein Gesetz zur Erweiterung der Verschreibung von medizinischem Cannabis verabschiedet, um das Einsatzgebiet für verschiedene Patientengruppen zu erweitern.
In der heutigen Medizin werden verschiedene Sorten der Cannabis-Pflanze verwendet und für verschiedene Symptome eingesetzt. Dank geringer Nebenwirkungen wird medizinisches Cannabis als wahrer Ersatz gegenüber anderen Opiaten gesehen.
Indica: Cannabis Indica ist die älteste bekannte Cannabis-Pflanze und wurde im Jahre 1753 entdeckt. Cannabis Indica kommt vorwiegend aus äquatorialen Ländern und weist schmale, lange und fingerähnliche Blattstrukturen auf.
Die Wirkung dieser Pflanze ist aufheiternd, anregend, fördert die Kreativtät, Konzentration und wird gegen Übelkeit sowie fehlendem Hungergefühl eingesetzt. Cannabis Indica ist bekannt für einen hohen THC- und niedrigen CBD-Gehalt.
Sativa: Cannabis Sativa ist die zweite Pflanze im Bunde der Cannabis-Familie und wurde 32 Jahre später im Jahre 1785 entdeckt. Das Verbreitungsgebiet ist meist subtropisch (z.B Pakistan oder Afghanistan). Äußerlich ist die Sativa-Pflanze deutlich breiter als andere Pflanzen ihrer Familie.
Cannabis Sativa wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd, entspannend und wirkt ähnlich wie Indica appetitanregend und fördert einen guten Schlaf. Dank der entspannenden Wirkung kann es sowohl bei Muskelspasmen/-schwund und Parkinson als auch gegen Ängste eingesetzt werden.
Ruderalis: Cannabis Ruderalis wurde im Vergleich zu den Sorten Indica und Sativa deutlich später, im Jahre 1926 von einem russischen Botaniker, entdeckt. Cannabis Ruderalis kommt ursprünglich aus Kasachstan oder Sibirien und ist als besonders robuste und schnellwachsende Pflanze bekannt. Die selbstblühende Pflanze weist kleine Blätter und nur wenige Seitenzweige auf.
Aus der Cannabis Ruderalis werden häufig Ruderalis-Hybride mit den Sorten Indica und Sativa hergestellt, um sich den hohen CBD-Gehalt zu nutze zu machen. Gegenüber THC, das ein psychoaktives Cannabinoid ist, wird CBD vor allen Dingen zur (Muskel-)Entspannung, gegen Übelkeit, Appetitlosigkeit oder als alternatives Schmerzmittel eingesetzt. Ärzte erwägen den Einsatz von CBD-haltigen Cannabis unter anderem in der Chemo- und/oder HIV-/AIDS-Therapie.
(Info/Quelle: Leafly.de: Cannabis Sorten: Indica, Sativa und Ruderalis)
Rechtliches
Cannabis und seine Produkte unterliegen in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Cannabis steht in der Anlage I, das heißt es ist weder verkehrsfähig noch verschreibungsfähig.
1994 wurde das Cannabinoid THC, das ursprünglich auch in der Anlage I stand, in die Anlage II umgestuft. Somit ist es jetzt verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig. Ärzten oder Forschern ist unter bestimmten Umständen der Umgang mit THC erlaubt.
In der Anlage III steht das synthetisch hergestellte Nabilon mit THC-ähnlicher Struktur und Wirkung.
Es ist auf Betäubungsmittelrezept erhältlich, muss allerdings aus Großbritannien importiert werden, da es in Deutschland nicht hergestellt wird.
In Amerika ist seit 1987 das Arzneimittel Marinol(r) erhältlich, das den THC-Extrakt enthält. Auch Marinol(r) muss importiert werden. Außerdem ist es sehr teuer.
In Deutschland darf THC seit 1998 unter dem Namen Dronabinol als Rezepturarzneimittel vom Arzt auf einem BtM-Rezept verschrieben werden.
Der Apotheker rührt dann Dronabinol ölig an, füllt es in Kapseln ab und verkauft es.
Für Dronabinol gibt es seit Juni 2002 zwei Anbieter auf dem Markt, die eine halbsynthetische und eine natürliche Variante verkaufen. Da ein neuerAnbieter erheblich unter dem bisherigen Marktpreis liegt, wird hier ein weiterer Preisrutsch - zugunsten der Patienten - erwartet.
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