RATGEBER - Rheuma
Weichteilrheuma (Fibromyalgiesyndrom)
Bänder, Sehnen, Muskeln und ander Weichteile des Bewegungssystems schmerzen bei Patienten mit Weichteilrheuma über Monate, oft Jahre. Schulter-, Nacken-, Gesäß- und Rückenmuskulatur oder derganze Körper sind betroffen.
Die Patienten fühlen sich krank und abgeschlagen und ihr subjektives Leiden ist groß. Sie fühlen sich unfähig, die gewohnten Leistungen weiter zu erbringen.
Ihre Muskeln und Bänder, die vor allem in der Nähe großer Gelenke an Beinen oder Armen oder im Nacken schmerzhaft sind und das Gefühl von Steifigkeit vermitteln, sind kaum belastbar. Schon normale körperliche Aktivität steigert die Muskelermüdung und den Schmerz sehr schnell bis zur Unerträglichkeit. Dann fällt sogar das Treppensteigen schwer.
Andere Symptome treten weniger regelmäßig auf. Der Krankheitsverlauf ist chronisch und dabei meist wechselhaft.
Schon der Beginn der Fibromyalgie kann plötzlich, bei anderen Patienten eher schleichend sein. Ca. 2 Prozent der Bevölkerung ist betroffen. 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Die meisten Patientinnen sind zwischen 20 und 60 Jahre alt. Die Krankheit ist nicht ansteckend und wahrscheinlich nicht vererbbar.
Scheinbar im Widerspruch zu den eindrücklichen Beschwerden, sehen die Patienten gesund aus. Das macht es für die Mitmenschen und für viele Ärzte so schwer, diese Krankheit und die Kranken zu verstehen.
Ursachen für eine Fibromyalgie
Die Ursache der Fibromyalgie wird bisher nicht gut verstanden.
Wahrscheinlich müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, um eine Fibromyalgie auslösen.
Unzulänglich behandelte Schmerzen führen zu einer Stressantwort des Körpers, die sich in Veränderungen der Psyche, des Verhaltens und des Stoffwechsels zu erkennen gibt. Dies wiederum beeinflusst die Schmerzverarbeitung und schaukelt sich zum gestörten Schmerzerleben auf.
Gestörter Schlafrhythmus und unzulängliche Tiefschlafphasen könnten zur Entwicklung der Krankheit beitragen und die fibromyalgischen Symptome nach Art eines Teufelskreises verstärken.
Unter Stress, bei Wetterveränderungen oder Lärm und Angstzuständen verschlimmern sich die Symptome meist.
Möglicherweise spielen auch Infektionen oder Verletzungen eine Rolle bei der Entstehung der Fibromyalgie.
Untersuchungen durch den Arzt
Das eindeutige Erkennen einer Fibromyalgie ist gar nicht so einfach: Die Gelenke der Fibromyalgie-Patienten werden durch die Krankheit nicht geschädigt.
Eine Entzündung, sowie Auffälligkeiten in Blutuntersuchungen, Röntgenaufnahmen, Ultraschalluntersuchungen, Elektromyographie (EMG) und Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen lassen sich nicht nachweisen.
Die muskuläre Ausdauerfähigkeit ist vermindert. Bei der Untersuchung der Muskeln und Sehnen geben die Patienten besonders starke Schmerzen an den so genannten Tenderpoints.
Tenderpoints sind charakteristische Druckpunkte. Sie werden im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen mit genauen Druckmessungen ermittelt und als wichtiges Kriterium zur Diagnose einer Fibromyalgie herangezogen. Mit den Untersuchungsmöglichkeiten des klinischen Alltags ist die Diagnostik über Tenderpoints noch eher unzuverlässig.
Die Diagnose Fibromyalgie wird also gestellt, wenn andere Krankheiten wie lokale Sehnenüberlastungen, lokale Schädigungen, abnutzungsrheumatische Krankheiten oder „innere“ Erkrankungen nicht in Betracht kommen.
Im medizinischen Sinne ist die Fibromyalgie eine gutartige Erkrankung.
Verlauf und Behandlung
Die Krankheit kann Monate oder Jahre andauern, sie ist chronisch. Meist tritt eine Besserung innerhalb von ca. 2 Jahren ein.
Aber auch viel länger andauernde Beschwerden sind möglich. Gerade diese Patienten verlieren das Vertrauen in die Medizin. Sie versuchen mit allen Mitteln, doch noch zu einem Erfolg zu gelangen und laufen dabei Gefahr, aus Verzweiflung unnötige diagnostische oder therapeutische Prozeduren über sich ergehen zu lassen.
So sind erfolglose Operationen und andere risikoreiche Eingriffe bei Langzeit-Fibromyalgie-Patienten nicht selten.
Und Fibromyalgie-Patienten sind auch die wichtigsten Kunden mancher „Wunderheiler“.
Der Verlauf wird durch einfühlsame Behandlung günstig beeinflusst. Zum Gelingen der Behandlung trägt neben dem ärztlichen Rat das soziale Umfeld - Familie, Arbeitsplatz, Freunde - und vor allem der Patient selbst bei.
Er und seine „nächsten“ Menschen müssen verstehen, dass die Fibromyalgie kein Synonym für Simulieren ist, sondern dass es sich um eine Krankheit handelt, bei der glücklicherweise keine bleibenden Gelenkschäden oder Behinderungen zu erwarten sind, die aber behandelbar ist, die sich jedoch als sehr langwierig erweisen kann.
Die Schmerztherapie erfolgt individuell. Mit einer vollständigen Schmerzbeseitigung ist nicht zu rechnen. Paracetamol, Tramadol, Antirheumatika (NSAR) oder die neueren COXIBe sind Möglichkeiten. Cortison kann gelegentlich einmal zur lokalen Infiltration bei umschriebenen Beschwerden zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
Eine Daueranwendung oder eine Therapie mit Cortisontabletten ist - auch wegen der langfristig zu erwartenden Nebenwirkungen - nicht sinnvoll. Über die Wirksamkeit der Schmerztherapie kann nur der Patient selbst entscheiden. Der Arzt wacht über mögliche Nebenwirkungen.
Antidepressiva tragen zur Besserung der chronischen Schmerzen bei - selbst wenn keine Depression vorliegt. Amitryptylin abends eingenommen unterstützt durch seinen beruhigenden Effekt den Schlaf.
Die schmerzlindernde Wirkung kann u.U. erst Wochen nach Therapiebeginn eintreten. Die Behandlung beginnt mit niedriger Dosierung, damit die abends zwar gewünschte, tagsüber aber lästige Müdigkeit nicht auftritt. Augentrockenheit, Trockenheit anderer Schleimhäute, Stuhlverstopfung und Appetitsteigerung können unerwünschte Wirkungen sein.
Zurzeit wird untersucht, ob eine Kombination von Amitriptylin und dem neuen selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Fluoxetin Vorteile bringt.
Abends verabreichte muskelentspannende Medikamente können zusätzlich zu ihrer schmerzmindernden Wirkung den Schlaf verbessern. Andere Schlafmittel sollten wegen der drohenden Gewöhnung
nicht benutzt werden.
Besser ist es, tagsüber die körperliche Aktivität zu erhöhen. Wer tagsüber ruht, der hat nachts wenig Grund zu schlafen. Das richtige Kopfkissen und die richtige Matratze tragen besser als jedes Schlafmittel zum erholsamen Schlaf bei.
Alkohol, Kaffee oder Tee am späten Abend verhindern den gesunden Schlaf.
Fibromyalgie-Patienten müssen lernen, ihr Leben trotz der Krankheit selbst zu managen. Achten Sie daher aufmerksam auf diejenigen Tätigkeiten, Behandlungen oder Maßnahmen, die Ihnen ganz persönlich gut tun und bauen Sie diese zunehmend in Ihren Tagesablauf ein.
Die körperliche Belastung bei Übungstherapien, Krankengymnastik oder Sport können Sie in kleinen Schritten erhöhen.
Die Belastbarkeit steigt dann wieder an und erreicht irgendwann auch ein normales Maß.
Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen haben Vorteile: Die Erfahrung anderer zeigt, dass und wie man mit der Krankheit leben kann.
Familienangehörige sind dankbar, wenn sie mehr über die Krankheit wissen, die ja auch ihr Leben beeinflusst. Sie reagieren dann verständnisvoller, suchen nach Problemlösungen und helfen Stress und Belastung abzubauen.
Eine spezifische Diät
Eine spezifische Diät für die Fibromyalgie gibt es nicht.
Aber eine gesunde, gemischte, abwechslungsreiche Kost und Vermeidung von Übergewicht kann die Situation des Patienten erheblich beeinflussen.
Physikalische Therapien
Aerobe Bewegungsübungen, bei denen Puls und Atemfrequenz ansteigen, erhöhen die körperliche Fitness und vermindern Schmerzen und Müdigkeit.
Besonders geeignet ist das Schwimmen. Langsamer Beginn und stetige Leistungssteigerung sind am besten.
Mindestens dreimal wöchentlich jeweils über etwa eine Stunde sollte trainiert werden. Zu Beginn reichen zehn Minuten.
Wenn bei Erhöhung der Leistung wieder vermehrt Beschwerden auftreten, dann muss beim nächsten Mal ein Gang zurückgeschaltet werden.
Wissenschaftler der Mayo-Klinik in Rochester haben nachweisen können, dass eine kurzzeitige Behandlung mit einem intensiven Trainingsprogramm in spezialisierten Kliniken sehr wirksam ist.
Dabei werden unterschiedliche Therapieansätze nebeneinander genutzt und aufeinander abgestimmt: medikamentöse Therapie, Patienteninformation und -schulung, Selbstbehandlung, physikalische Therapie, Ergotherapie und berufsbegleitende Maßnahmen.
Vor diese Intensivbehandlung ist eine vollständige medizinische, psychologische und pharmakologische Beurteilung geschaltet, auf deren Basis das Programm individualisiert durchgeführt wird.
Die Patienten lernen in wenigen Tagen ihre Krankheit selbst zu managen.