RATGEBER - Sex & Körper
Sex nach Brustkrebs
Nach einer Operation dauert es mindestens ein Jahr, bis sich das Leben der Patientinnen wieder normalisiert. Erfahrungen zeigen, dass die meisten Frauen erst dann dazu fähig sind, ihr Selbstbewusstsein und ihre innere Integrität wieder herzustellen, wenn der Brustaufbau abgeschlossen ist bzw. sie sich mit der Prothese abgefunden haben.
Wie werde ich von den anderen angesehen? Bin ich mit nur einer Brust noch eine richtige Frau? Werde ich überhaupt noch begehrt und geliebt? Diese Fragen sind naheliegend in einer Kultur, in der die Brüste als Symbol für Sexualität und Weiblichkeit gelten. Eine Brustoperation berührt die weibliche Identität im Kern und ist für jede Betroffene ein besonders schwerwiegendes Ereignis. Je größer der Eingriff, desto schwieriger ist es für die Frau, sich hinterher im Spiegel zu betrachten und ihren Körper wieder anzunehmen.
Bei dem Vorhaben, sich und ihren Körper wieder zu akzeptieren, haben die meisten Frauen in der ersten Zeit Schwierigkeiten damit, die Hilfe ihres Partners anzunehmen. Fast die Hälfte aller in einer Umfrage von 1985 (zit. nach Zettl) befragten Patientinnen vermied es, sich nach der Operation dem Partner nackt zu zeigen. Manche verweigerten auch die „Frau-oben-Stellung“ aus Angst, die fehlende Brust werde in dieser Position besonders deutlich und könne den Partner abschrecken.
Erst wenn man sich selbst wieder liebt und akzeptiert, kann man begreifen, dass man auch von anderen noch geliebt wird. Erst dann wird es auch möglich sein, wieder ohne Angst und Beeinträchtigung mit dem Partner zu schlafen.
Laut Umfragen (zit. nach Zettl) beobachtet ein Drittel der brustamputierten Frauen eine Zurückhaltung des Partners im Bett. Beinahe jeder zweite Partner vermeidet es am Anfang ganz auffällig, den Brustbereich der Frau zu berühren. Dies muss aber nicht bedeuten, dass der Mann seine körperlich versehrte Frau ablehnt – so wie es dem Klischee entspricht. Oft spricht die Zurückhaltung vielmehr für eine Unsicherheit des Mannes, der sich natürlich auch erst einmal an die neue Situation gewöhnen muss.
Zunehmend brusterhaltende Operationen
Auch wenn Brustkrebs immer eine ernstzunehmende Gefahr bedeutet, so hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Durch neue Therapieprinzipien und -methoden sind zunehmend bessere Prognosen möglich. Während früher die Therapie einheitlich darin bestand, den Tumor großräumig zu entfernen und dann den Körper mit Chemotherapie und Bestrahlung vor Metastasen zu sichern, wird heute individueller therapiert. Das Therapiekonzept wird abhängig vom Alter der Frau, der Art des Tumors und der Wachstumsgeschwindigkeit erstellt. Manchmal beginnt man mit einer der Operation vorgelagerten Chemotherapie. Diese soll die Größe des Tumors verringern. Damit verkleinert sich auch das zu entfernende Gewebe. Durch dieses Verfahren verbessern sich die Überlebenschancen nach einer Operation. Neue Konzepte sehen außerdem vor, nach der Entfernung des Tumors und der gefährdeten Achsellymphknoten die Patientin abhängig von der Bösartigkeit des Tumors, der Tumorgröße und der Hormonabhängigkeit des Tumors einzustufen und zu behandelt. Das ist sinnvoll, weil viele Tumoren hormonabhängig wachsen. Hier kann eine Hormontherapie die Bildung von Tochtergeschwulsten (Metastasen) blockieren. Manchmal wird die Hormontherapie in Kombination mit einer Chemotherapie durchgeführt, in anderen Fällen ist es möglich, den Tumoren und Metastasen durch eine alleinige Hormontherapie die Lebensgrundlage zu entziehen und sie komplett zum Verschwinden zu bringen.
Molekularbiologen suchen derzeit nach Möglichkeiten, in die fehlerhafte Signalübertragung bei Krebszellen einzugreifen und z. B. den Mechanismus zu blockieren, der das Wachstum und die Zellteilung fördert. Für die gesunden Zellen müssen diese Moleküle natürlich tolerierbar sein. Diese „smart drugs“, die intelligenten Pillen, sollen also nur tumorspezifisch wirken. Sie sollen ihr Ziel – die Krebszelle – finden, ohne ihre Umgebung – die gesunden Zellen – zu zerstören.
Je früher die Krebserkrankung erkannt wird, desto geringer ist das Risiko, durch die Operation die Brust zu verlieren. In 85 Prozent der Fälle gelingt es, brusterhaltend zu operieren oder die Brust mit natürlichem Gewebe wieder aufzubauen.
Brustrekonstruktion
Bei den Frauen, die von einer Brustentfernung betroffen sind, besteht oft die Möglichkeit, noch während der Operation die Brustrekonstruktion einzuleiten. Dazu wird unter den Brustmuskel der entfernten Brust eine leere Reservoirtasche fixiert. Nach der Wundheilung wird über ein Ventil schrittweise physiologische Kochsalzlösung in die Reservoirtasche eingefüllt, bis sie die Größe der ursprünglichen Brust erreicht hat.
Andere Frauen bevorzugen eine Brustprothese, die den Vorteil hat, dass sie perfekt dem Vorbild der eigenen Brust nachgebildet wird. Einige Sanitätshäuser bieten an, normale Dessous wie Spitzen-BH’s und Bustiers so umzunähen, dass man die Prothese einlegen kann. Damit sieht man für die Umwelt völlig normal aus.