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RATGEBER - Herzkrank I

Instabile Angina pectoris

Von der stabilen kommen wir jetzt zur instabilen Angina pectoris.

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Die instabile Angina pectoris ist ein akutes Krankheitsbild, das mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit einhergeht.

Im Wesentlichen geht es bei diesen Patienten darum, den Übergang in einen Herzinfarkt zu vermeiden und zusätzliche Komplikationen, wie lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche, Herzversagen oder einen vorzeitigen Tod, zu vermeiden.

Die Überlebenschance von Patienten mit instabiler Angina pectoris steigt nur dann, wenn der Betroffene und seine Umgebung unmittelbar reagieren und bei den ersten Anzeichen sofort einen Notarzt rufen.

Wenn der Patient Nitroglyzerin oder Acetylsalicylsäure zur Hand hat, sollte er diese Medikamente sofort einnehmen.

Diese und weitere notwendige Maßnahmen können aber nur dann veranlasst werden, wenn die Symptome der instabilen Angina pectoris bekannt sind und erkannt werden.

Oder anders ausgedrückt: „Was man nicht kennt, erkennt man nicht!“

Wie entsteht eine instabile Angina pectoris?

Die Grundkrankheit, die zur Angina pectoris führt, ist die Arteriosklerose.

Wie schon beschrieben, lagert sich dabei Cholesterin in der Gefäßwand ab. Die Wand entzündet sich an dieser Stelle.

Begünstigt wird dieser Prozess durch Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder Rauchen.

Durch die Einlagerung und Entzündung entsteht eine „arteriosklerotische Plaque“ - Ablagerungen, die zunehmend den Innendurchmesser des Herzkranzgefäßes einengen.

Im Gegensatz zur stabilen Form der Angina pectoris zeichnet sich die instabile Form dadurch aus, dass die Plaque plötzlich aufbricht. Dies setzt einen verhängnisvollen Prozess in Gang.

Die nun freiliegende Gefäßoberfläche aktiviert das Gerinnungssystem des strömenden Blutes.

Blutplättchen (Thrombozyten) lagern sich in der geschädigten Gefäßinnenhaut (Endothel) an. Dieses Anhaften führt zu einer weiteren Aktivierung des Gerinnungssystems, wodurch rasch weitere Blutplättchen heranströmen und sich anlagern. Auf diese Weise kommt es schließlich zur Ausbildung eines plättchenreichen Gerinnsels.

Wenn die Gerinnselbildung in den Herzkranzarterien abläuft, führt sie zum teilweisen Verschluss des Koronargefäßes. Dies ist die Situation, die die instabile Angina pectoris charakterisiert. Führt die Gerinnselbildung zum vollständigen Verschluss des Koronargefäßes, kommt es zu einem Herzinfarkt.

Da der Übergang zwischen der instabilen Angina pectoris und dem Herzinfarkt fließend ist, spricht man heute in beiden Fällen besser vom „akuten Koronarsyndrom“.

Symptome der instabilen Angina pectoris

Auch die instabile Angina pectoris äußert sich zuerst einmal durch Schmerzen.

Diese können in Form von Druck- und Engegefühl, Reißen und Brennen auftreten.

Wie bei der stabilen Angina pectoris befinden sich die Schmerzen im Bereich des Brustkorbes und strahlen in den linken Arm, in Hals, Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch aus.

Für die instabile Form ist es aber charakteristisch, dass die Anfälle in ihrer Intensität, Dauer und Häufigkeit zunehmen.

Ein untrügerisches Alarmzeichen ist auch, wenn der Brustschmerz bereits bei kleinsten Belastungen oder sogar ganz ohne vorherige Belastung in Ruhe auftritt. Die Beschwerden bessern sich nur verzögert auf Nitroglyzerin und dauern nicht länger als 20 Minuten an.

Die instabile Angina pectoris ist unvorhersehbar. Dies ist das größte Problem.

Sie kann sich übrigens nicht nur aus einer stabilen Form heraus entwickeln, sondern auch bei bisher Gesunden neu auftreten, „von jetzt auf gleich“.

Diagnostische Verfahren

Wie bei der stabilen Angina pectoris gibt die Krankengeschichte - also Cholesterinwerte, Blutdruck, Übergewicht etc. - dem Arzt erst einmal die wichtigsten Hinweise.

Daneben sind die Ergebnisse des Elektrokardiogramms, genauer gesagt: des Ruhe-Elektrokardiogramms, wichtig, bei welchem bei instabilen Angina-pectoris-Formen oft typische Veränderungen zu sehen sind: Veränderungen der STStrecke und Veränderungen der T-Welle, die in kürzester Zeit ein anderes Bild haben können.

Neben der Analyse eines Ruhe-Elektrokardiogramms kommt der Laboranalyse eine wichtige Rolle zu.

Biochemische Marker, die bei einer Schädigung des Herzens erhöht sind (Troponin T oder Troponin I), haben sich als hilfreich erwiesen. Sie dienen nicht nur zur Sicherung der Diagnose, sondern auch zur Planung der besten therapeutischen Strategie.

Troponin ist bei etwa 40% der Patienten mit instabiler Angina pectoris erhöht. Das freigesetzte Troponin ist ein Zeichen für einen Plaque-Riss mit nachfolgender Thrombusbildung.

Besteht auch nur der Verdacht auf eine instabile Angina pectoris, ist Eile geboten.

Der Übergang in einen Herzinfarkt oder schwere Komplikationen wie Rhythmusstörungen und/oder Herz-Kreislauf-Stillstand können nämlich jederzeit eintreten.

Jeder Patient mit einer instabilen Angina pectoris ist daher als Notfall anzusehen: Eine umgehende Behandlung im Krankenhaus ist absolut notwendig!

Deshalb hier noch einmal zusammenfassend: Wenn die Schmerzanfälle in ihrer Intensität, Dauer und Häufigkeit zunehmen oder wenn der Brustschmerz bei kleinsten Belastungen oder in Ruhestellung auftritt, müssen Sie sofort den Notruf (112) wählen!

Der Notarzt wird Sie umgehend ins Krankenhaus einweisen und Sie dorthin begleiten.

Therapie der instabilen Angina pectoris

Das Hauptziel der Therapie bei einer instabilen Angina pectoris liegt darin, den Übergang in einen Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen und letztlich natürlich einen vorzeitigen Tod zu verhindern.

Vorrangig ist außerdem eine schnelle Befreiung von Schmerzen. Die Behandlung muss dazu führen, dass die Schäden am Herzmuskel möglichst gering bleiben bzw. gar nicht erst auftreten.

Zu diesem Zweck muss das Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf des Herzens schnell reguliert werden. Unbedingt muss auch die Gerinnselbildung im Herzkranzgefäß vermieden oder rückgängig gemacht werden. Diese Ziele werden mit verschiedenen medikamentösen und operativen Maßnahmen erreicht. Dazu jetzt mehr.

Medikamentöse Behandlung

Der Vorteil von Medikamenten besteht darin, dass sie jederzeit schnell eingenommen werden können und zuverlässig wirken.

Nitroverbindungen (Nitrate)

Wie bei der stabilen Angina pectoris gehören auch bei den instabilen Formen die Nitrate zu den Medikamenten der ersten Wahl.

Ihr Einsatz ist den Ärzten sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen - immerhin wird Nitroglyzerin seit nahezu 150 Jahren eingesetzt.

Der große Vorteil dieses Wirkstoffs: Er führt zur schnellen Schmerzfreiheit.
Nitrate verbessern bei instabiler Angina pectoris den Blutfluss und senken den Sauerstoffverbrauch.
Sofern kein niedriger Blutdruck vorliegt, sollte bei jedem Patienten mit instabiler Angina pectoris initial Nitroglyzerin als Spray oder Zerbeißkapsel verabreicht werden.

Betarezeptorenblocker

Der Einsatz von Betarezeptorenblockern zeigt bei Patienten mit instabiler Angina pectoris positive Effekte.

Diese werden vor allem durch die Hemmung der Sympathikusstoffe und durch Verminderung des Sauerstoffverbrauchs erreicht. Sie scheinen darüber hinaus die Häufigkeit eines folgenden Herzinfarktes zu reduzieren.

 

Neben der Senkung des Sauerstoffbedarfs des Herzens lindern sie häufig auch die Schmerzen.
In vielen Studien wurde dies bewiesen, so dass der Nutzen bei der instabilen Angina pectoris als gesichert gilt.

Kalziumkanalantagonisten

Kalziumkanalantagonisten werden bei der instabilen Angina pectoris nur in Spezialfällen gegeben, da für diese Medikamente kein günstiger Einfluss auf die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse bei instabiler
Angina pectoris nachgewiesen wurde.

Diese Medikamente kommen nur dann infrage, wenn Betarezeptorenblocker wegen ihrer Wirkungsweise problematisch werden könnten, also bei zu niedrigem Blutdruck oder zu niedriger Herzfrequenz.

Dies ist darüber hinaus bei Asthma bronchiale und anderen chronisch verschließenden (obstruktiven) Erkrankungen der Fall. Bei „chronisch ob-struktiven Lungenerkrankungen“ (COLD oder COPD) sind Betarezeptorenblocker primär nicht angezeigt, sondern Kalziumkanalantagonisten zu bevorzugen.

Gerinnungshemmende Medikamente

Das Verklumpen der Blutplättchen zu verhindern, ist ein wichtiges Ziel bei der Behandlung der instabilen Angina pectoris.

Denn diese Erkrankung ist deshalb so gefährlich und unberechenbar, weil sich jederzeit Gerinnsel in den Kranzgefäßen bilden können, die zu einem kompletten Verschluss und zu einem Absterben von Herzmuskelzellen führen können.

Seit einigen Jahren kann dieses Ziel, die Verklumpung zu vermeiden, leichter als früher erreicht werden.
Denn neu entwickelte Wirksubstanzen blockieren gezielt die Oberflächenstruktur der Blutplättchen, welche für das Verklumpen verantwortlich sind. Man nennt die Substanzgruppe „Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten“.

In Deutschland sind aus dieser Familie folgende Wirkstoffe zugelassen:
Abciximab, Tirofiban und Eptifibatide. Vor allem Patienten mit erhöhten Werten des Markers Troponin I oder Troponin T im Blut sollten heute nach den Empfehlungen der europäischen und amerikanischenFachgesellschaften mit einer dieser Substanzen behandelt werden.

Auch Acetylsalicylsäure (ASS), das vielen besser als rezeptfreies Schmerzmittel „Aspirin“ bekannt ist, wirkt gerinnungshemmend.

Es konnte nachgewiesen werden, dass insbesondere bei Patienten mit instabiler Angina pectoris die Zahl der Herzinfarkte deutlich sinkt, wenn sie frühzeitig damit beginnen, regelmäßig dieses Medikament (75 bis 325mg/Tag) einzunehmen.
Deshalb bekommen Patienten, die auch nur möglicherweise unter einer instabilen Angina pectoris leiden, so früh wie möglich Acetylsalicylsäure.

Wer diese nicht verträgt, weil sein Magen empfindlich ist oder er bereits Magenblutungen hatte, sollte Clopidogrel (Iscover, Plavix) erhalten. Der Wirkstoff Clopidogrel hemmt ebenfalls die Funktion der Blutplättchen, allerdings nicht auf exakt dieselbe Weise wie ASS.

Eingriffe mit Herzkatheter (Interventionelle Behandlung)

Ist eine instabile Angina pectoris medikamentös nicht oder nur wenig beeinflussbar, ist dies als dringlicher Notfall anzusehen, der frühestmögliche Abklärung durch eine Herzkatheteruntersuchung erfordert.

Patienten mit instabiler Angina pectoris profitieren in besonderem Maße von einer frühzeitigen Katheteruntersuchung, da eine Verengung in den Herzkranzgefäßen mit Hilfe von einer Ballonerweiterung
(Ballondilatation) und/oder dem Einpflanzen (Implantation) einer Gefäßstütze sofort beseitigt werden kann.

Die Gefäßstützen (Stent) verhindern nicht nur den akuten Gefäßverschluss, sondern beugen auch einer Wiederverengung des Gefäßes (Restenose) vor.
Trotzdem kann es auch nach dem Einbringen eines Stents zu einer Wiederverengung von Herzkranzgefäßen kommen. Bei etwa 20% der so behandelten Patienten ist dies der Fall.

Eine Weiterentwicklung der an sich schon sehr modernen Stents sind die beschichteten Stents.
Hier sind auf der Oberfläche Medikamente aufgebracht, die das Zellwachstum hemmen sollen. Dies bremst die Entwicklung von Narbengewebe.

Erste Ergebnisse zeigen, dass durch eine Verwendung beschichteter Stents, die allerdings sehr teuer sind, die Anzahl der Patienten mit Wiederverengung des behandelten Herzkranzgefäßes deutlich gesenkt werden kann.
Allerdings werden erst zurzeit noch laufende Studien zeigen, ob die beschichteten Stents auch langfristig die bisher beobachteten günstigen Ergebnisse bestätigen oder nicht.

Chirurgische Verfahren

Das Anlegen eines Bypasses ist eine therapeutische Alternative, wenn eine Ballonerweiterung oder das Einführen eines Stents nicht möglich sind oder aus anatomischen Gründen nicht infrage kommen.

Besonders sinnvoll ist der Bypass bei Patienten, deren linke Hauptarterie (korrekt: Hauptstamm des linken Koronarsystems) sehr stark verengt ist.

Patienten mit mehreren Einengungen oder Verschlüssen der Herzkranzgefäße sind ebenfalls geeignete „Kandidaten“ für dieses Behandlungsverfahren, wenn noch vitales Gewebe und anschlussfähige Gefäße vorhanden sind.

Veränderungen des Lebensstils

Ist die akute Bedrohung durch eine instabile Angina pectoris abgewendet, sucht der behandelnde Arzt nach Maßnahmen, um ein Fortschreiten oder ein „Aufflackern“ der Erkrankung zu verhindern.
Dazu gehört, die individuellen Risikofaktoren, die zur Herzkranzgefäßverengung geführt haben, zu erkennen und zu behandeln.

Hierzu gehören vor allem der Bluthochdruck und ein hoher Cholesterinwert.
Wir wissen heute, dass durch konsequente Beeinflussung dieser Faktoren, z.B. durch eine anhaltende Therapie mit Cholesterinsenkern (z.B. Statine), ein Fortschreiten der Arteriosklerose verlangsamt oder aufgehalten werden kann.  In vielen Fällen wird so eine erneute instabile Angina pectoris vermieden.

Eine Studie (LIPSStudie) mit dem Statin Fluvastatin hat gezeigt, dass durch die Cholesterinsenkung das Risiko, nach einer Ballondilatation einen nächsten Herzinfarkt zu bekommen, um 22% gesenkt werden konnte.
In der Untergruppe der Diabetiker betrug die Risikosenkung sogar 47%.

INFO
Mehr zu den Risikofaktoren für eine Arteriosklerose finden Sie unter „stabile Angina pectoris“.


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