RATGEBER - Herzkrank I
Stabile Angina pectoris
Als „stabile Angina pectoris“ bezeichnet man die Phase der koronaren Herzkrankheit, bei der mit zunehmender Einengung der Gefäße eine Unterversorgung von Herzmuskelgewebe auftritt.
Geprägt wurde der Begriff 1768 von William Heberden.
Aber schon erste Berichte aus Ägypten, die 4500 Jahre alt sind, beschreiben die Brustenge als eine gefährliche Erkrankung und als „Signal für den bevorstehenden Tod“.
Auch heute, trotz moderner Medizin, sollte jeder selbst aufmerksam auf sich achten und bei solchen Symptomen sofort zum Arzt gehen. Denn durch rechtzeitiges Erkennen und Behandeln kann der Arzt Einfluss auf den Verlauf der sonst schicksalhaften Erkrankung nehmen.
Besonders gefährdet sind ältere Patienten oder Diabetiker, bei denen eine Einengung von Herzkranzgefäßen mit Unterversorgung von Herzmuskelgewebe auch ohne Symptome bleiben kann.
Man spricht in diesem Fall von einer „stummen Myokardischämie“.
Was passiert im Herzen bei einer stabilen Angina pectoris?
Bei der koronaren Herzkrankheit kommt es zu Einengungen an den Kranzgefäßen, die als „Stenosen“ bezeichnet werden.
Mit zunehmendem Alter und dem Vorliegen von Risikofaktoren steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Herzkranzgefäßverengung entwickelt.
Bei geringfügigen arteriosklerotischen Ablagerungen geschieht dies noch ohne Anzeichen. Wenn aber nicht behandelt wird - medikamentös und nicht-medikamentös -, verläuft die Verengung unaufhaltsam weiter.
Die Symptome einer stabilen Angina pectoris wie Brustenge, Atemnot und belastungsabhängiger Schmerz im Bereich des Herzens treten aber in der Regel erst dann auf, wenn der Durchmesser eines Herzkranzgefäßes nur noch 30% von der ursprünglichen Größe beträgt.
Jetzt kann man sich leicht ausmalen, wie notwendig es ist, bei den Symptomen einer stabilen Angina pectoris sofort zum Arzt zu gehen!
Denn, wenn schon 70% des Durchmessers eines Herzkranzgefäßes durch arteriosklerotische Ablagerungen (Lipideinlagerungen in die Gefäßwand) verengt sind - wie schnell mag es gehen, dass das Gefäß völlig verschlossen wird und Teile des Herzmuskels gar nicht mehr mit Blut versorgt werden und absterben?
Konkret entsteht der Schmerz bei einer stabilen Angina pectoris durch eine Unterversorgung des Herzmuskels mit Blut und einem Missverhältnis von Sauerstoff-Angebot und Sauerstoff-Bedarf.
Bei der Angina pectoris tritt die Unterversorgung zuerst bei körperlicher Anstrengung auf, also wenn der Herzmuskel mehr Blut benötigt als sonst üblich.
Durch die Unterversorgung mit Sauerstoff entstehen Abfallprodukte des Stoffwechsels, die eine Übersäuerung nach sich ziehen, die wiederum den charakteristischen Schmerz auslöst.
Auslöser eines Angina-pectoris-Anfalls
Die unterschiedlichen Anzeichen der stabilen Angina pectoris ergeben ein typisches Bild.
Trotzdem werden sie oft missdeutet, von den Betroffenen wie auch von den Ärzten. Wie kommt das?
Typisch sind Schmerzen, ein Enge- oder Druckgefühl in der Mitte des Brustkorbes, die meistens in die linke Schulter und den linken Arm ausstrahlen.
Die Schmerzen können aber auch - untypisch - in Hals, Unterkiefer, Rücken oder im Oberbauch auftreten.
So kann man auch an eine Erkrankung des Magens, der Lunge, der Speiseröhre, der Wirbelsäule oder sogar der Zähne denken und vermutet nicht unbedingt gleich eine Herzerkrankung hinter den Schmerzen.
Leider geschieht es immer wieder, dass dadurch Betroffene erst einmal Magenspiegelungen, Röntgenuntersuchungen oder zahnärztliche Behandlungen über sich ergehen lassen müssen, bevor die richtigeUrsache der Schmerzen erkannt wird.
Deshalb sollten Betroffene ihrem Arzt nicht nur die Schmerzen beschreiben, sondern auch die Umstände, unter denen die Schmerzen aufgetreten sind.
Ein typischer Anfall wird durch körperliche Belastungen wie Treppensteigen, Flaschenkisten aus dem Keller tragen etc. ausgelöst und dauert etwa drei bis fünf Minuten an.
Wind und Kälte, psychische Belastungen oder opulente Mahlzeiten können ebenfalls einen Anfall provozieren.
Im Gegensatz zu Zahn-, Magen- oder Rückenschmerzen bessern sich die Symptome schnell, wenn man sich ausruht.
Ist eine koronare Herzkrankheit bekannt und kommt es zu einem Angina-pectoris-Anfall, sollte man unbedingt das vom Arzt verschriebene Nitroglyzerin (verabreicht als Spray oder Kapsel) einnehmen. Es wirkt innerhalb von zwei bis drei Minuten.
Wenn hingegen die Schmerzen durch eine Änderung der Körperhaltung oder durch Atemtechniken beeinflussbar sind, kommen Erkrankungen des Bewegungsapparates oder der Lunge in Betracht.
Tückisch ist besonders bei Frauen, dass bei ihnen die Symptome einer stabilen Angina pectoris sehr oft untypisch sind. Dies ist Ärzten auch erst seit relativ kurzer Zeit bekannt.
So kann sich die stabile Angina pectoris bei einem weiblichen Herzen lediglich in Luftnot (Dyspnoe) äußern.
Diagnose durch den Arzt
Zunächst einmal ist die sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte von enormer Bedeutung.
Wie beschrieben, wird der Arzt auch nach solchen Symptomen fragen, die der Patient vielleicht für geringfügig oder in diesem Zusammenhang für unwichtig hält.
Diese Befragung und die richtige Deutung der Symptome ist der entscheidende Schritt zur Diagnose „stabile Angina pectoris“. Weiterhin wird der Arzt nach Risikofaktoren fragen, weil ihn diese auf den richtigen Weg führen könnten.
Neben der Beurteilung von Symptomen sind natürlich körperliche Untersuchungen notwendig, etwa eine Blutuntersuchung oder das Abhören des Herzens.
Diese Ergebnisse sind aber bei Patienten mit einer Angina-pectoris-Symptomatik meist nicht aussagekräftig, so dass der Arzt bei Verdacht einer koronaren Herzkrankheit weitergehende technische Untersuchungen durchführt oder veranlasst.
Zu den einzelnen weiterführenden Diagnosemethoden jetzt mehr.
Elektrokardiogramm (EKG)
Das Ruhe-Elektrokardiogramm ist das erste und am weitesten verbreitete Hilfsmittel zur Diagnose einer koronaren Herzkrankheit bei einem Patienten mit stabiler Angina pectoris.
Es stellt die elektrische Aktivität des Herzens dar. Diese Impulse können durch das EKG abgeleitet und aufgezeichnet werden.
Das EKG ist in den meisten Fällen jedoch unauffällig, es sei denn, dass es während eines Angina-pectoris-Anfalles registriert wird. Dann können Veränderungen sichtbar sein, von denen der Arzt auf eine koronare Herzkrankheit schließen kann.
Oft zeigt das EKG aber auch indirekte Zeichen für eine koronare Herzkrankheit, z.B. EKG-Veränderungen durch zu hohen Blutdruck, der ja als Risikofaktor für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bekannt ist.
Belastungs-EKG
Bei einer stabilen Angina pectoris ist das Belastungs-EKG die beste diagnostische Methode.
Dies ist ein Elektrokardiogramm, das unter körperlicher Aktivität geschrieben wird. Dazu wird z.B. ein stationäres Fahrrad oder ein Laufband verwendet.
Mit dieser Methode ist der Arzt bei den meisten Patienten dazu in der Lage, Durchblutungsstörungen des Herzmuskels zu erkennen bzw. zu vermuten.
Sind die Herzkranzgefäße bedeutsam verengt - dies ist der Fall bei Einengungen der Herzkranzgefäße von 70% und mehr -, kann der Arzt typische EKG-Veränderungen in Form von sogenannten ST-Strecken-Senkungen beobachten.
Nicht durchgeführt werden sollte ein Belastungs-EKG bei Patienten, die erst kürzlich einen Herzinfarkt hatten, die unter einer instabilen Angina pectoris leiden oder auch dann, wenn schwere Begleiterkrankungen mit eingeschränkter Lebenserwartung vorliegen.
Auch bei Patienten mit Aortenstenose oder Herzvergrößerung (hypertrophische Kardiomyopathie) kann ein Belastungs-EKG gefährlich sein, weil durch die Belastungs-Untersuchung gefährliche Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden können.
Stressechokardiographie und nuklearmedizinische Verfahren
Verbietet sich ein Belastungs-EKG, weil der Patient nicht ausreichend belastet werden darf oder wenn das Ruhe-EKG „nicht interpretierbar“ ist, weichen Kardiologen gerne auf stressechokardiographische Methoden aus.
Hier gibt der Kardiologe dem Patienten zuerst ein Medikament (z.B. Dobutamin), welches künstlich eine Stresssituation erzeugt.
Dann überprüft er die Wandbewegungen des Herzmuskels mit dem Ultraschallgerät.
Die Wandbewegung des Herzmuskels im Ultraschallbild kann Hinweise auf eine Durchblutungsstörung und somit auf eine Herzkranzgefäßerkrankung geben.
Alternativ dazu gibt es nuklearmedizinische Techniken. Dabei werden kurzlebige radioaktive Substanzen, wie z.B. Thallium, verabreicht, die sich über dem Blutweg verteilen und technisch sichtbar gemacht werden können.
Auf diese Weise lässt sich erkennen, ob eine Durchblutungsstörung am Herzen vorliegt.
Die neueste Methode ist die Adenosin-Szintigraphie, bei welcher ebenfalls Durchblutungsstörungen des Herzens bei Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit durch nuklearmedizinische Techniken nachgewiesen werden können.
Herz-Ultraschall (Echokardiographie)
Größe der Herzhöhlen, Beweglichkeit und Dicke der Herzwände, Narben und Bewegungsstörungen nach einem Infarkt, Beschaffenheit und Funktion der Herzklappen - dies sind die Informationen, die der Kardiologe erhält, wenn er das Herz mit einem Ultraschallkopf untersucht.
Aufgrund dieser vielfältigen Informationen ist die Echokardiographie eine Routineuntersuchung bei jeder Herzerkrankung geworden.
Bei der stabilen Angina pectoris werden zwar auf diesem Wege keine typischen Veränderungen sichtbar.
Dennoch kann der Kardiologe mit der Echokardiographie wertvolle Rückschlüsse ziehen und vor allem auch andere Herzveränderungen bzw. -erkrankungen ausschließen.
Herzkatheteruntersuchung
Die Herzkatheteruntersuchung ist die Methode, die eine sichere Bestätigung oder den Ausschluss einer Herzkranzgefäßerkrankung erlaubt.
Dabei werden ein oder zwei dünne biegsame Kunststoffschläuche, nämlich die Herzkatheter, in die rechte und/oder die linke Herzkammer eingeführt.
Die Katheter sind mit einem Messgerät verbunden, mit welchem man die Druckverhältnisse in den Herzkammern bestimmen kann.
Zudem ist es möglich, über die Katheter ein Kontrastmittel in die Herzkammern und dann auch in die Herzkranzgefäße einzuspritzen.
Somit können die Herzkranzgefäße direkt sichtbar gemacht werden. Verengungen oder gar Verschlüsse der Herzkranzgefäße können so sicher diagnostiziert und nachgewiesen werden.
Da die Herzkatheteruntersuchung ein „invasiver“ Eingriff ist, versucht man zunächst eine Diagnose anhand „nicht-invasiver“ Techniken zu stellen.
Ob die Weiterentwicklung anderer bildgebender Verfahren wie die Computertomographie oder die Kernspintomographie des Herzens in der Zukunft eine Herzkatheteruntersuchung ersetzen kann, bleibt abzuwarten.
Therapie der stabilen Angina pectoris
Die stabile Angina pectoris kann, wenn sie nicht behandelt wird, zu einer instabilen Form oder zum Herzinfarkt und zum plötzlichen Herztod durch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen führen.
Deshalb sollte jede Form einer stabilen Angina pectoris nicht nur rechtzeitig diagnostiziert, sondern auch frühzeitig adäquat behandelt werden.
Die erste Behandlungsmaßnahme besteht bei einem Anginapectoris-Anfall darin, das Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf sofort zu beenden.
Dies bedeutet, beim Wandern oder Treppensteigen gleich anzuhalten oder sich aus einemheftigen Streit sofort rauszunehmen, egal, um was es geht. Denn alles andere kann zu einer gefährlichen Situation führen.
Therapieziele bei koronaren Herzkrankheit sind die Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit, Verbesserung der Lebensqualität durch Vermeidung von Angina-pectoris-Beschwerden und Erhalt der Belastungsfähigkeit.
Medikamentöse Behandlung der stabilen Angina pectoris
Es gibt sowohl Medikamente, die bei einem akuten Angina-pectoris-Anfall helfen, als auch solche, die zur Dauertherapie geeignet sind. Mehr zu den einzelnen Wirkstoffen jetzt.
Nitroverbindungen (Nitrate)
Das Medikament der ersten Wahl zur Behandlung eines akuten Angina-pectoris-Anfalls ist Nitroglyzerin (Glyceroltrinitrat).
Dieses Medikament wurde im Jahr 1867 von dem britischen Arzt Sir LauderBrunton erstmals zur Behandlung der Angina pectoris eingesetzt.
Die Wirkungen dieses „Klassikers“ werden somit seit beinahe 150 Jahren beobachtet und sind bestens bekannt.
Nitroglyzerin erweitert die Gefäße und verbessert den Blutfluss. Dies verbessert die Durchblutung, die Herzarbeit wird erleichtert und der Sauerstoffbedarf des Herzmuskels wird vermindert.
Die Wirkung setzt innerhalb von wenigen Minuten ein. Deshalb sollten Herz-Kreislauf-Kranke, die gefährdet sind, einen Anfall zu erleiden, Nitrogylzerin als Spray oder Zerbeißkapsel immer bei sich tragen.
Auch zur Dauerbehandlung sind Nitroglyzerinpräparate (Mononitrate, Dinitrate) geeignet und werden deshalb zur symptomatischen Behandlung der Angina pectoris eingesetzt.
Für die Dauerbehandlung gibt es eine verzögerte Freisetzungsform (Retardpräparat).
Da Nitroverbindungen zu einer Gewöhnung führen können und die Substanzen dann weniger effektiv wirken, empfiehlt der Arzt, immer ein „nitratfreies Intervall“ einzuplanen. Dadurch kann eine Nitrattoleranz vermieden werden, allerdings mit dem Nachteil wieder auftretender Symptome.
Die häufigste Nebenwirkung ist der Nitratkopfschmerz. Bei fortgesetzter Einnahme von Nitroglyzerin lernt der Körper, besser mit der Substanz umzugehen, so dass der Kopfschmerz dann nicht mehr auftaucht.
Nitroglyzerin ist auch nicht für jeden Herzpatienten geeignet, z.B. nicht bei einer Einengung der Aortenklappe, bei bestimmten Kardiomyopathien und bei Blutverlust.
Betarezeptorenblocker
Betarezeptorenblocker (z.B. Atenolol, Bisoprolol, Carvedilol, Metoprolol) sind Medikamente, die erfolgreich bei stabiler Angina pectoris eingesetzt werden können, die Angina-pectoris-Beschwerden lindern, die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern und das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich vermindern.
Warum? Betarezeptorenblocker senken die Menge bzw. die „Angriffsorte“ der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin.
Dadurch wird das Herz weniger stark zur Pumpleistung angetrieben und der Sauerstoffbedarf sinkt. Gleichzeitig profitiert der Herz-Kreislauf-Kranke meistens auch von einer Senkung des Blutdrucks. Besonders unter Belastung machen sich diese Wirkungen positiv bemerkbar.
Betarezeptorenblocker werden als Arzneimittel der ersten Wahl bei der Behandlung der stabilen Angina pectoris angesehen.
Patienten mit zusätzlicher spastischer Bronchitis oder Asthma bronchiale dürfen Betarezeptorenblocker nicht oder nur unter großer Vorsicht verwenden.
Wenn Betarezeptorenblocker (aus welchen Gründen auch immer) abgesetzt werden müssen, muss das schleichend erfolgen.
Kalziumkanalantagonisten
Diese Medikamente, wie z.B. Diltiazem, Verapamil, Amlodipin, Nicardipin, Nifedipin, Nisoldipin, lindern - ebenso wie Betarezeptorenblocker - die Angina-pectoris-Beschwerden und verbessern die körperliche Leistungsfähigkeit.
Bis heute gibt es aber keine Hinweise dafür, dass Kalziumkanalantagonisten die Prognose von Patienten mit stabiler Angina pectoris verbessern.
Diese Medikamente werden darüber hinaus seit Jahren als Bluthochdruckmittel verwendet. Häufig werden sie in Kombination mit Betarezeptorenblockern gegeben, was sinnvoll und empfehlenswert ist. Allerdings kann es dann zu einer Verstärkung der Effekte beider Medikamentengruppen kommen, so dass die Kombination eine gute Überwachung erfordert.
Kalziumkanalantagonisten sind in der Regel gut verträglich. Die häufigste Nebenwirkung besteht in einem Anschwellen der Knöchel (Ödeme).
Gerinnungshemmende Medikamente
Zur Standardtherapie eines jeden Patienten mit koronarer Herzkrankheit und stabiler Angina pectoris gehört die Gabe von gerinnungshemmenden Substanzen. Diese unterdrücken eine Verklebung der Blutplättchen, wirken also „antithrombotisch“.
Als erstes Medikament wird der Arzt aufgrund der zahlreichen Belege zur Wirksamkeit und auch hinsichtlich der geringen Kosten Acetylsalicylsäure (ASS) wählen. Für Patienten mit Blutgerinnungsstörungen ist ASS jedoch weniger oder gar nicht geeignet, da es die Gerinnungsstörung weiter verstärken kann.
Große Vorsicht ist auch bei Patienten mit einer Neigung zu Magengeschwüren geboten. ASS kann nämlich die Schleimhäute in Magen und/oder Zwölffingerdarm angreifen und dort zu Geschwüren führen.
Andere Medikamente, die gerinnungshemmende Fähigkeiten haben und die bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit einer ASS-Gabe infrage kommen, sind Clopidrogel (Iscover, Plavix) oder Phenprocoumon (Marcumar). Über diese Medikamente wird an anderer Stelle berichtet.
Statine
Statine sind eine Gruppe von relativ neuen Wirkstoffen, welche ein wichtiges Enzym hemmen, die den Aufbau von Cholesterin verhindern.
Sie führen zu einer Senkung des LDL-Cholesterins und der Triglyceride sowie zu einer leichten Steigerung des HDL-Anteils. In der Therapie von Herzpatienten spielen Statine eine besondere Rolle.
Bei über 50% der Herzpatienten sind Störungen im Cholesterinhaushalt nachweisbar. In großen Studien* konnte gezeigt werden, dass die Senkung des LDL-Cholesterins und der Triglyceride bei einer gleichzeitigen Anhebung des HDL-Cholesterins durch Statine deutlich die Lebenserwartung von Herzpatienten hebt.
* z. B. Heart Protection Study, 2002.
Eingriffe mit Herzkatheter (Interventionelle Behandlung)
Die Aufdehnung von verengten Herzkranzgefäßen war einer der größten Erfolge in der modernen Kardiologie.
Der Kardiologe Andreas Grüntzig (1939 bis 1985) hat die Methode im September 1977 vorgestellt.
Heute wird das Verfahren als „Perkutane Koronarintervention“ (PCI) bezeichnet.
Dabei wird zunächst örtlich betäubt und dann ein Führungskatheter von der Leiste oder vom Arm aus in die rechte oder linke Herzkranzarterie vorgeschoben.
Durch diesen Katheter führt der Kardiologe einen feinen Draht in das Gefäß mit der nachgewiesenen Engstelle als „Führungsschiene“ ein. Über den Draht schiebt er einen zusammengefalteten Ballon in das Herzkranzgefäß, genau in den Bereich der Engstelle.
In vielen Fällen trägt der Ballon zusätzlich eine Gefäßstütze und wird dann als „Stent“ bezeichnet.
Wenn Ballon oder Stent die verengte Stelle erreicht haben, werden sie entfaltet. Dadurch dehnen sie das verengte Gefäß auf, beseitigen die Stenose und ermöglichen dem Blut wieder einen normalen Fluss im System der Herzgefäße.
Bypass-Operation
In manchen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung nicht mehr erfolgreich.
Auch der beschriebene Ballon bzw. Stent kann nicht immer eingebracht werden. In solchen Fällen ist die Bypass-Operation eine sinnvolle Alternative.
Ein Bypass ist eine „Umleitung“. Dem Körper des Patienten werden millimeterdicke Adern aus den Beinen oder dem Bereich der Unterarme (Venen, Arterien) entnommen.
Die Bypass-Operation besteht darin, diese Adern mit sehr dünnen Fäden unterhalb des Engpasses in die Herzkranzarterie einzunähen. Dadurch werden die Engstellen, die den Blutfluss behindern, überbrückt.
Auf diese Weise wird vermieden, dass es zum Verschluss eines Gefäßes und folglich zum Herzinfarkt kommt.
Außerdem werden die entsprechenden Herzmuskelareale wieder ordnungsgemäß mit Blut versorgt und der Patient hat keine Angina-pectoris-Beschwerden mehr.
Veränderungen des Lebensstils
Die koronare Herzkrankheit ist oftmals die Antwort auf einen entsprechenden Lebensstil, der spätestens dann dringend geändert werden muss, wenn die Krankheit akut wird.
Ihr Arzt/Ihre Ärztin wird Sie dazu sicherlich beraten.
Im Folgenden finden Sie zur Orientierung eine Zusammenstellung der häufigsten Risikofaktoren, die Sie ausschalten oder behandeln sollten.
Therapie: Cholesterin und Fettstoffwechselstörungen
Erhöhte Blutfettwerte sollten konsequent gesenkt werden. Der erste Schritt dazu ist eine cholesterinarme Kost.
Das bedeutet den weit gehenden Verzicht auf tierische Fette und eine Umstellung auf ballaststoffreiche Nahrung: Statt Pommes mit Mayo, Schweinshaxen und Leberkäs sind beispielsweise Gemüsebratlinge mit Salat, Wokgerichte mit wenig Fleisch sowie Pellkartoffeln mit Walnusssauce angesagt.
Ziel ist ein LDL-Cholesterin von weniger als 100mg/dl (2,59mmol/l), Triglyceride von weniger als 150mg/dl (1,69mmol/l) und ein HDL-Cholesterin von mehr als 40mg/dl (1,03mmol/l).
Reicht eine Umstellung des Speiseplanes nicht aus, muss die Senkung der Blutfette durch Medikamente unterstützt werden. Hier stehen dem Arzt Statine, Fibrate, Ionenaustauscher und Nikotinsäurederivate
zur Verfügung.
Statine sind heute die bevorzugten Medikamente und senken vor allem das LDL-Cholesterin.
Der günstige Effekt von Statinen in der Behandlung der koronaren Herzkrankheit steht heute außer Frage. Diese Medikamente verbessern erheblich die Chance auf ein langes Leben.
Um das HDL-Cholesterin zu verbessern (d.h. den Wert zu steigern), kann man nicht so leicht auf Medikamente zurückgreifen. Hier muss man vor allem überflüssige Pfunde abnehmen und regelmäßigen
Ausdauersport betreiben.
Es reicht übrigens das tägliche stramme Wandern oder - ganz modern - das Nordic Walking.
Unterstützend führen Medikamente wie Nikotinsäure, Fibrate und in geringerem Umfang auch Statine zu einer Steigerung des HDL-Cholesterins.
Therapie: Lipoprotein (a)
Man weiß aus vielen verschiedenen Studien, dass ein hoher Wert von Lipoprotein (a) im Blut das Risiko einer Gefäßverkalkung steigert.
Bis heute gibt es leider keine Maßnahmen, weder Diät noch Medikamente, die einen hohen Lipoprotein (a)-Spiegel senken könnten.
Der einzige Erfolg wurde bislang in Studien gemessen, bei denen Frauen in der Menopause Östrogen erhielten.
Ein erhöhter Lipoprotein (a)-Spiegel allein ist aber natürlich keine Indikation für eine Östrogentherapie.
Was bedeutet dies für einen Patienten mit koronarer Herzkrankheit? Ob und wie er seinen Lipoproteinspiegel senken kann, ist noch nicht ausreichend erforscht.
Bis es hier zu Ergebnissen kommt, sollten sich Betroffene aber eines zu Herzen nehmen: Sie sollten die Risiken, auf die sie Einfluss nehmen können, minimieren, damit sich die Gefahren für das Herz nicht auch noch potenzieren.
Also: gesunde Lebensführung, regelmäßige Bewegung, kein Nikotin, Senken von Blutdruck und Blutfetten!
Diabetes mellitus
Die Zuckerkrankheit alleine bringt schon eine große Gefährdung für Herz und Kreislauf mit sich.
Zuckerkranke Herzpatienten müssen daher doppelt vorsichtig sein. Sie müssen ihren Blutzuckerspiegel genau kontrollieren und dürfen sich keine Zuckerspitzen erlauben.
Außerdem sollten auch Diabetiker mögliche andere Risikofaktoren ausschalten oder behandeln. Das heißt, das Körpergewicht sollte bis auf das Idealgewicht reduziert werden!
Regelmäßiger körperlicher Ausdauersport ist erforderlich.
Das LDL-Cholesterin sollte unter 100mg/dl und der Ruheblutdruck unter 120/80mmHg liegen.
Wie Studien zeigen, wird mit diesen konsequenten Maßnahmen das Auftreten von Herzinfarkten bei Diabetikern drastisch vermindert.
Übergewicht und Bewegungsmangel
Überflüssige Kilos sollten weg. Dies ist zugegebenermaßen leicht geschrieben und schwer getan. Crash-Diäten helfen hier nicht.
Das beste Rezept ist immer noch die Kombination von verminderter Kalorienzufuhr und verstärkter körperlicher Aktivität.
Erlaubt sind ballaststoffreiche Nahrungsmittel wie Gemüse, Nudeln, Reis und Kartoffeln.
Obst ist ebenfalls sicher sinnvoll, wenn es nicht durch zu viele beigegebene „Süßstoffe“ zum Übergewicht führt.
Reduziert werden sollten Dickmacher wie sämige Bratensaucen, stark Fetthaltiges und zu viel Fleisch.
Vorsicht auch bei Alkohol sowie bei Süßigkeiten und Chips mit ihren versteckten Fetten - sie werden oft nicht als Kalorienquellen erkannt.
Körperliche Aktivität ist lebensnotwendig für Herz-Kreislauf-Kranke. Eine Reihe von wissenschaftlichen Studien beweist, dass regelmäßige körperliche Aktivität mit einer Verminderung des Herzinfarktrisikos einhergeht.
Was heißt aber nun „regelmäßige körperliche Aktivität“? Auch dies ist durch eine Reihe von Studien ausreichend geklärt.
Demnach sollte jeder Mensch pro Woche etwa 2000 Kilokalorien durch Sport abbauen. Dies bedeutet, mindestens viermal pro Woche 30 Minuten schnell zu gehen oder Rad zu fahren oder 20 Minuten zu joggen.
Wer bislang jeden Meter am liebsten mit dem Auto zurückgelegt hat, für den ist eine solche „regelmäßige körperliche Aktivität“ sicher eine enorme Lebensumstellung. Am Anfang mag das nicht leicht sein,
aber der Lohn ist groß.
Ein Tipp: Hadern Sie nicht jeden Tag, ob Sie heute joggen oder nicht. Treffen Sie eine klare Entscheidung, dass Sie beispielsweise Samstag, Sonntag, Dienstag und Donnerstag 20 Minuten Sport treiben, egal bei welchem Wetter.
Laufen Sie einfach los und denken Sie gar nicht darüber nach. Denn Ihre Priorität sollte sein, gesund zu bleiben und lange zu leben.
Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie)
Ein leichter Bluthochdruck kann im Allgemeinen relativ mühelos auf Normwerte reduziert werden.
Die wichtigsten Maßnahmen sind: runter mit dem Übergewicht, nicht mehr Kochsalz als 6g pro Tag, höchstens 30g Alkohol pro Tag bei Männern (etwa 1 Glas Wein, 0,5l Bier), höchstens 20g Alkohol pro Tag bei Frauen, für alle mehr Kalium durch Obst und Gemüse und ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche.
Wenn allerdings trotz dieser Strategien der Blutdruck nach etwa 4 Wochen immer noch zu hoch ist, wird der behandelnde Arzt eine medikamentöse Therapie einleiten.
Er hat die Wahl zwischen wassertreibenden Medikamenten (Diuretika) und den Blutdrucksenkern wie Betarezeptorenblockern, ACE-Hemmstoffen, Angiotensin-II-Rezeptor-1-Antagonisten, Kalziumkanalblockern, alpha-Blockern, direkten Vasodilatatoren oder zentralen Sympathikushemmern.
Welche Wahl der Arzt trifft, hängt von der Höhe des Blutdrucks und auch von sonstigen individuellen Werten des Patienten ab.
Ziel der Behandlung ist es, den Blutdruck auf einen Wert unter 140/90mmHg zu senken. Dieser Wert ist übrigens unabhängig vom Alter des Patienten gültig.
Die Einstellung, ein „Altershochdruck“ sei normal, ist zwar weit verbreitet, aber dennoch fahrlässig und falsch.
Der Blutdruck sollte am Morgen in Ruhe vor der Tabletteneinnahme gemessen werden.
Wird ein zu hoher Blutdruck nicht oder nicht ausreichend behandelt, sind Herzmuskelschwäche, Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenversagen oder andere Gefäßveränderungen die unvermeidbaren Folgen!
Rauchen
Alle Raucher wissen, dass es gute Gründe gibt, mit dem Rauchen aufzuhören.
Dies gilt in besonderem Maße für Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit. Ein Weiterrauchen würde die Herzkranzgefäßverengung und den Bluthochdruck weiter vorantreiben und damit die Risiken für einen Herzinfarkt stark erhöhen.
Viele Raucher mögen sich denken, dass sich ein Aufhören womöglich nicht mehr lohne, weil die Schäden vielleicht irreparabel seien. Dem ist nicht zwangsläufig so, denn der Körper versteht es, seine Selbstheilungskräfte in Gang zu setzen: Ein Jahr nach dem Rauchstopp ist das Risiko von Herzerkrankungen nur noch halb so hoch und nach zwei Jahren ist das Herzinfarktrisiko auf fast normale Werte abgesunken.
Nach 15 rauchfreien Jahren ist das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen, genauso hoch wie bei Menschen, die nie geraucht haben.
Auch die Lunge, deren Kapazität durch das Rauchen sinkt, was zu einer Belastung der rechten Herzkammer führen kann, profitiert vom Rauchstopp. Nach drei Monaten kann sich die Lungenkapazität um 30% erhöhen, nach 10 Jahren ist das Lungenkrebsrisiko fast genauso hoch bzw. niedrig wie bei echten Nichtrauchern.
Gewiefte Raucher werden jetzt sicher die Schlussfolgerung ziehen, dass es dann ja ausreichend sei, wenn sie im nächsten Jahr oder in zwei oder fünf Jahren mit dem Aufhören beginnen! Ihnen sei entgegnet, dass man den Punkt „of no return“, an dem dann nicht mehr aufhebbare Schäden entstanden sind, leider nicht vorhersagen kann.
Das Beste ist, die Selbstheilungskräfte des Körpers als Chance zu begreifen und mit der Selbstschädigung sofort aufzuhören.
Raucherentwöhnung ist nicht vergleichbar mit der Behandlung etwa von Infektionskrankheiten, bei denen eine Impfung oder eine medikamentöse Therapie genügt. Denn die Entwöhnung beginnt im Kopf.
Medikamentöse Entwöhnungshilfen wie Nikotinpflaster können zwar die Erfolgsaussichten in der Raucherentwöhnung verdoppeln; die Basis der Therapie ist jedoch die Entschlossenheit des Rauchers, mit dem Rauchen aufzuhören.
Psychosoziale Faktoren und Stress
„Herzschmerz“ - dieser Begriff meint nicht nur die Angina pectoris, sondern ist auch im bildlichen Sinne zu verstehen.
„Sie hat ihm das Herz gebrochen“, „ihr blutet das Herz“ oder „ihm fällt ein Stein vom Herzen“ - diese Redensarten beschreiben, dass Emotionen richtig körperlich schmerzen können.
Dass Wahrheit darin steckt, wissen die Kardiologen. Studien zeigen, dass soziale Isolierung oder gehäufte schwere Konfliktsituationen den Gesundheitszustand von Herzpatienten weiter verschlechtern.
Das dritte Jahr nach einem Herzinfarkt haben Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit doppelt so häufig nicht mehr erlebt, wenn sie sich in solch schweren Lebensumständen befanden.
Hingegen ging es Patienten mit einer ähnlichen medizinischen Vorgeschichte weitaus besser, wenn sie ein gutes familiäres oder freundschaftliches Umfeld besaßen und keine „unlösbaren“ Konflikte bewältigen mussten.
Besonders gefährdet, den Herztod zu erleiden, sind „Typ-A-Persönlichkeiten“. Sie besitzen einen übermäßigen Wettbewerbseifer, drängen ständig nach Anerkennung und Aufstieg. Ihnen kann nichts schnell genug gehen.
Die genannten Charaktereigenschaften führen natürlich nicht zwangsläufig in die Herz-Kreislauf-Erkrankung. Vielmehr ist eine solche Entwicklung immer davon abhängig, ob diese Menschen sich von ihren Zielen stressen lassen oder ob sie sie gerne verwirklichen und auch einmal eine „Niederlage“ einstecken bzw. sogar produktiv mit ihr umgehen können.
Die Prognose für Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die ein Typ-A-Verhalten zeigen, ist also nicht automatisch schlechter als die für Patienten ohne dieses Verhaltensmuster - und dennoch sollten sich gerade Typ-A-Persönlichkeiten nach der Diagnose einer koronaren Herzkrankheit oder gar nach einem Herzinfarkt fragen, ob sie ihre Einstellung zum Leben „entkrampfen“ und ihre Lebensweise entsprechend ändern können.
Denn ohne Zweifel reduziert ein Stressabbau und eine geregelte Lebensweise mit ausreichenden Ruhephasen das Risiko kardialer Erkrankungen.
In jedem Fall sollten die individuellen psychosozialen Risikofaktoren berücksichtigt werden; ggf. sind psychotherapeutische und/oder medikamentöse Maßnahmen einzuleiten.
